Skandale,
Skandale
oder: Im Zeitalter permanenter Aufklärung
Betrachtungen von H.-W.Ecker
Wissen
Sie, alle die Histörchen und Skandale, die in der sogenannten Regenbogenpresse
dargeboten werden, kümmern mich absolut nicht; ich lasse sie links
liegen nach dem Motto 'Getretner Quark wird breit, nicht stark.' Nein,
was mich wirklich kümmert und betroffen macht, sind die bemerkenswerten,
die politischen Skandale und die darin offenkundig werdende Mentalität.
Was dann auf welche Weise abläuft, ist im allgemeinen ebenso bemerkenswert
wie der Skandal selbst. Erste
Indizien dafür sind die ebenso wortreichen wie nichtssagenden Äußerungen
irgendeines Subalternen aus dem betroffenen Ressort vor den Vertretern
der Medien und sodann die Dementis, diese handlichen Mittel allgemeiner
und politischer Taktik, die sich - wenn schon nicht langfristig wirksam,
so doch wenigstens auf Zeit - als unentbehrliche Nothelfer der Bedrängten
erweisen.
Wenn aber die denunzierten Machenschaften nicht nur ruchbar, sondern schon
offensichtlich sind und kein Dementi mehr nützt, dann treten die
Saubermänner jeglicher Couleur auf den Plan und fordern in demonstrativer
Betroffenheit - selbstverständlich vor allen erreichbaren Mikrophonen
und Kameras - rückhaltlose Aufklärung vor einem Untersuchungsausschuss.
Es geht schließlich um die politische Kultur.
Sehen
Sie, genau genommen muss man froh sein, dass es immer wieder solche Skandale
gibt; wir wüssten ja sonst gar nicht, was politische Kultur ist.
Denn die muss fortwährend entwickelt werden, ist sie in der Regel
doch so sehr in die Tagesgeschehnisse eingewickeit, daß sie nur
schwer erkennbar und das gemeine Wohl als letzter Zweck aller politischen
Moral nicht mehr deutlich ist. So
kann man den Staat als eine Art moralischer Anstalt sehen, eine Anstalt,
in der politische Kultur entwickelt und den Bürgern an Skandalen
zwar - also im Negativ, aber immerhin - exemplifiziert wird. Und die Untersuchungsausschüsse
in der Folge solcher Skandale sind geradezu erzieherische Institutionen
für die aufzuklärenden Bürger. Sie zeigen ihnen lehrreich
und unterhaltsam zugleich, was ist, was sein oder auch nicht sein sollte.
Und wenn ihnen dann das Moralische aufstößt, so ist der staatsbürgerliche
Gewinn doch unvermeidlich.
Haben Sie eigentlich schon einmal mitbekommen, gar erlebt, wie es vor
einem solchen Untersuchungsausschuss zugeht? Nein - Na, dann hören
Sie zu.
Grundsatz
jedes Untersuchungsausschusses ist : Lücken, vor allem lücken-
und schonungslose Aufklärung der fraglichen Vorgänge und ihrer
Hintergründe. Wir leben ja - was zwischendurch festgestellt sei -
im Zeitalter permanenter Aufklärung, was allerdings auch den Schluss
nahelegt, dass dieses Zeitalter ein düsteres, ein trübes ist.
Also muss Licht in diese Trübnis gebracht werden. Unsere großen
Aufklärer, denken Sie nur an Kant und Lessing, würden ihre helle
Freude haben, wenn sie sähen, wie ihre Saat immer wieder so gut gedüngten
Boden findet.
Wie sagte doch Kant, was Aufklärung sei? "Aufklärung ist
der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit...".
Und bei den
Untersuchungsausschüssen im Anschluß an skandalöse Vorgänge
denkt man , wie gesagt, an Aufklärung und vor allem an den Ausgang.
Und zwar jeder denkt an den Ausgang im Sinne seiner eigenen Vorstellungen:
der Ausschuss, die Skandaleure und die beobachtenden Bürger. So
geht dann besonders jeder vor den Ausschuss Gebetene davon aus, daß
er von den zur Verhandlung stehenden Vorgängen erst im Spiegel der
Presse erfahren habe. Im übrigen wisse er für den eigenen Zuständigkeitsbereich
nur, dass er von den Einzelheiten und deren Hintergründen nichts
gewusst habe und sich deshalb auch an nichts erinnern könne. Und
dieses sokratisch bescheidene Nichtwissen nimmt zu mit der Höhe der
Gehaltsansprüche.
Das alles
sieht sich im Fernsehen dann so an:
Auftritt des zu Befragenden und seiner Inquisitoren in telegenem Outfit
vor den Kameras und Mikrophonen der Reporter mit dünnem Lächeln
und dicken Aktenbündeln. Man muss ja schließlich etwas haben,
woran man sich halten kann, wenn schon jede Menge Zweifel besteht, dass
die erhobenen Anwürfe haltlos sind.
Ein besonderes Zeremoniell von Selbstinszenierungen in immer neuen Kameraeinstellungen
beginnt. Stühle und Akten werden gerückt. Großaufnahme
des Gelassenheit mimenden Einzelnen am Tisch vor dem Ausschuss und Schwenk
über die beachtlichen Aktenstapel zu den in Bedeutsamkeit gefrorenen
Gesichtern der Ausschussmitglieder, im besonderen seines Vorsitzers. -
Profilneurosen duften. Das
Ganze erinnert an 'Lohengrin', allerdings bar jeder Romantik: "Nie
sollst du mich befragen!'' Elsa aber - ich meine selbstverständlich
- der Ausschuss ist penetrant neugierig, will wissen, soll aber nicht.
"Mein lieber Schwan!"
Und jeder geht, wovon im einzelnen auch immer, in jedem Falle aber davon
aus, nach bestem - versteht sich immer beschränktem - Ressortwissen
und -gewissen gehandelt zu haben, weshalb am Ende auch keiner davon aus
dem Amte geht, schlimmstenfalls einmal einer als gezogene Konsequenz in
den wohlverdienenden Ruhestand.
Aber irgend jemand muss doch verantwortlich sein, werden Sie einwenden.
Recht
haben Sie. Nur muss man das alles sehr differenziert sehen. Und das ist
die Aufgabe des Untersuchungsausschusses.
Sehen Sie, Verantwortung im demokratischen Staatswesen wird nach dem Prinzip
der Delegation von oben nach unten verteilt Und wenn das richtig gemacht
wird, dann ist die Verantwortung schließlich so verteilt, daß
sie für jeden leichter wird und am Ende kaum noch irgendwo zu finden
ist. Und genau da liegt das Problem. Wenn
Sie nun aber meinen sollten, dass unter diesen Voraussetzungen z.B. Minister
nach irgendwelchen skandalösen Vorkommnissen in ihrem Hause den Hut
nehmen müssten, so sind Ihnen die Komplexe und die feinen Verflechtungen
in einem Ministerium einfach nicht vertraut: Erstens haben Minister, wie
gesagt, die Verantwortung per Delegation an ihre Subalternen weitergegeben,
haben also, genau genommen, gar keine mehr; zum anderen, wo sollten solche
Menschen denn hin, wenn sie den Hut nähmen?
Etwa hinaus ins feindliche Leben der einfachen Bürger?
Und überdies,
wo trägt man heute im politischen Geschäft noch Hut? Gewiss,
man hält sich in der Regel bedeckt, aber nicht mit Hut, nein, man
ist auf der Hut. Und sollte tatsächlich einmal ein Minister zur Disposition
stehen, gar zurücktreten, was, wenn überhaupt, höchstens
im explosiven Institut auf der Bonner Hardthöhe vorkommt, so tritt
der zunächst einmal einen Subalternen auf die Füße, so
dass der seinerseits tritt, und zwar in der Regel in den einstweiligen
Ruhestand, den Stand der bestbezahlten Spaziergänger. Bei
seinem Minister indes kann man sicher sein, dass der seine Stellung bis
zum letzten verteidigt, auch wenn das noch kein hinreichender Beweis für
einen guten Verteidigungsminister ist. Ohnehin muss nicht jeder, der irgendwo
ein hohes Amt bekleidet, deswegen auch auf der Höhe sein. Nach
alldem möchte der aufmerksame, inzwischen aber zunehmend depressive
Beobachter der skandalumwitterten Szene so manchem Ministerialen nachdrücklich
empfehlen: Geh aus, mein Herr, und suche Freud, damit das oft so plötzlich
in den Tiefen unter dem Bewusstsein Versunkene oder Versenkte wieder zutage
gefördert werde und sich der Mut zum Wagnis des Wissens einstellen
möge!
Aber so mancher versinkt eben in abgründigen Tiefen, wenn er in sich
geht; und nicht wenige müssen erst das Gesicht verlieren, bevor man
sie identifizieren kann.
Nun
sagen Sie, finden Sie es nicht auch aufschlussreich, durch Untersuchungsausschüsse
zu der Einsicht zu gelangen, dass es Dinge gibt, die es - genauer untersucht
- so gar nicht geben kann, wie sie der Öffentlichkeit erscheinen?
Auf diese Weise fördert man per Ausschuss das gemeine Wohl und am
Ende, wenn schon nicht die wünschenswerte Aufklärung, so doch
- wohl und ohne Übel - aus den Lücken der Erinnerung reines
Gewissen zutage. Und dem nachdenklichen Zeitgenossen bestätigt sich,
dass ein reines Gewissen ja auch gar nicht schmutzig werden kann, wenn
man es nicht benutzt. So
muss sich der Bürger mit so manchem abfinden; die inquirierten Amtsträger
indes wird man am Ende sehr wohl abfinden, wenn kein Staat mehr damit
zu machen ist.
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Es
war einmal ... Nachdenkenswertes von Ernst
Broers
Ja,
bis gegen Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts gab es noch dieses seltsame
Volk in der Mitte Europas.
An sich waren diese Menschen sehr intelligent und hatten ein sehr großes
Wissen. Aber die höchste Intelligenz und die beste Bildung garantieren
noch lange keinen guten Charakter und verpflichten auch nicht zum vernünftigen
Handeln.
Ja, wenn der Egoismus der - nein, nicht der Politiker, die hatten zu gehorchen
und bekamen die Schuld für die Misere. Also: Wenn der Egoismus der
wirklich regierenden noch größer ist, als ihre Intelligenz,
wenn sie bewährte Konventionen als 'alten Plunder' über Bord
werfen und Geld allein die Weit regiert, was soll dabei heraus kommen?
Dass die
menschliche Gemeinschaft auf Vertrauen beruht, das mochten Spinner glauben,
die ja auch 'Treu und Glauben' für einen Rechtsgrundsatz hielten.
Klevere Geschäftsleute achten darauf, dass sie niemand betrügt.
Und man betrügt ja auch nicht, man ist nur geschäftstüchtiger,
genau so, wie man nicht lügt, sondern nur geschickter mit der Wahrheit
umgeht!
Nach ihrer Lehre stand auch nicht Solidarität und Hilfsbereitschaft,
sondern die 'freie Entfaltung der Persönlichkeit über allem.
Der Grundsatz: "Recht zu tun, das ist des freien Menschen Freiheit."
war für sie Unsinn, genau so wie: "Freiheit ist immer die Freiheit
des Anderen". Was soll das für ein Anderer sein?"
Die Frauen lernten, dass ein Beruf, zum Beispiel der der Sekretärin,
doch viel ehrenhafter sei, als der einer Hausfrau und Mutter.
Dass die Hausfrau und Mutter ja in mindestens einem Dutzend Berufen gute
Kenntnisse haben muß, um den Kleinbetrieb "Famile" erfolgreich
leiten zu können, das wurde verschwiegen.
Weiter wurde gelehrt, dass Frauen "sich selbst verwirklichen müssen,
damit sie auf etwas stolz sein können".
Ein
Kind zu einem Menschen zu erziehen, auf den die Menscheit stolz sein kann,
was ist das schon? Die Mütter dieser "Führungspersönlichkeiten"
hatten es ja auch nicht geschafft.
Die altmodische Ehe wich der 'Lebensabschnitts - Partnerschaft', und dort
hinein passten doch keine Kinder. Wer sollte denn dafür aufkommen,
wenn der Lebensabschitt vorüber war, bevor die Kinder eigene Wege
gehen?
Und Kinder groß ziehen und erziehen kostet viel Zeit und Geld. Zeit,
die man viel angenehmer auf Reisen und Partys verbringen kann und Geld,
dass man (wenn man genügend hat) lieber in gewinnbringende Geschäfte
steckt.
Wozu auch Kinder? Die warten doch nur auf's Erbe und haben keine Zeit,
um die alten Eltern zu pflegen, da kann man doch lieber das Geld sparen
und sich später im sonnigen Süden vom Personal aus einem Billiglohnland
pflegen lassen.
Die paar Wirtschaftführer, die doch noch an Kinder und Enkel dachten,
glaubten offensichtlich, wenn mit ihrer Hilfe die Erde einmal unbewohnbar
würde, dass ihre Enkel vom lieben Gott mit dem ererbten Geld eine
neue Erde kaufen könnten.
Naturschutz schmälert die Gewinne! Das ist doch nur etwas für
grüne Spinner!
Die Wirtschaft,
einmal entwickelt um die Menschen mit den notwendigen Waren und Dienstleistungen
zu versorgen, war nur noch ein Mittel, um Geld auf die
Konten der Reichen zu schaufeln. Sie glaubten offensichtlich, dass die
für eine Marktwirtschaft notwendige Kaufkraft ausschließlich
aus den Unternehmensgewinnen entsteht. Danach handelten sie und deshalb
wurde jede Möglichkeit genutzt, diese Gewinne zu steigern.
Zum Beispiel wurden keine Fachkräfte ausgebildet. Die Wirtschaft
bestand zwar darauf, dass der Staat sich aus der Ausbildung heraushielt,
weil dies ausschließlich eine Aufgabe der Wirtschschaft sei, aber
der Wirtschaft war die Ausbildung zu teuer: Sie wollte zwar Fachkräfte
haben, aber die gab es doch auch in den Billiglohnländern.
Als für ganz Europa eine einheitliche Währung, der Euro, eingeführt
wurde, drehte man es gerade so hin, dass ein Euro fast genau zwei Einheiten
der alten Währung entsprach.
Die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer wurden selbstverständlich
entsprechend umgerechnet, bei den Preisen der Waren und Dienstleistungen
wurde dagegen häufig nur das Zeichen für die Währung geändert
und die Geschäftsleute wunderten sich sogar noch, dass die Menschen
nicht mehr so viel wie früher kauften.
Dass es an der fehlenden Kaufkraft liegen könne, wie soll man darauf
kommen?
Aber für weniger Kunden wurde weniger Verkaufspersonal gebraucht,
also konnte man teures Verkaufspersonal entlassen und so Kosten sparen.
Damit man trotz der geringeren Umsätze die Unternehmensgewinne steigern
konnte, wurden die Waren aus Billiglohnländern eingeführt und
die eigenen Landsleute aus den Fertigungsbetrieben "freigestellt".
Da Arbeitslose kaum etwas kaufen können, ging es dem Handel noch
schlechter und es wurde noch mehr Verkaufspersonal erwerbslos.
Es wurden auch weniger Wohnungen gebraucht, weil viele Menschen die Miete
nicht aufbringen konnten und Obdachlose kaufen noch weniger.
Und da
Arbeitslose keine Handwerkerarbeiten bezahlen konnten und Obdachlose sie
nicht brauchten, ging es auch dem Handwerk schlecht und auch Handwerker
wurden "freigestellt".
Der Wirtschaft war am Ende so marode, dass sogar Direktoren und andere
Manager entlassen wurden, um zu sparen.
Damit es diese "verdienten Menschen" aber nicht allzuschwer
traf, bekamen sie "kleine" Abfindungen, nicht selten etwa in
der Höhe, wie 20, 30 oder noch mehr normale Arbeitnehmer in ihrem
ganzen Berufsleben verdient hätten.
Aber auch dieses Geld kurbelte die Konjunktur nicht an.
Es ging der Wirtschaft immer schlechter, denn die sogenannten "Manager"
begriffen nicht, dass in einer Marktwirtschaft dem Angebot an Waren und
Dienstleistungen eine entsprechende Kaufkraft gegenüber stehen muß
und dass diese Kaufkraft in erster Linie aus den Löhnen und Gehältern
der Arbeitnehmer entsteht.
Die klugen Köpfe hatten die Zeichen der Zeit nicht verstanden und
nicht bemerkt, dass sie ihr Wirtschaftssystem erdrosselten, dass sie bei
der Abschaffung des Kapitalismus am Ende erfolgreicher waren, als die
Kommunisten.
Ja, und welcher intelligente Mensch kann so herzlos sein, Kinder für
die Obdachlosigkeit, für die Aussichtslosigkeit zu zeugen? So wurde
die Geburtenrate dieses Volkes immer geringer, die letzten gingen elendiglich
zugrunde, ohne Hoffnung und ohne Zukunft. Eines
Tages lebten nur noch Menschen aus Billiglohnländern in einem ausgebluteten
Mitteleuropa. Kann sich noch jemand erinnern, was für ein Volk das
damals war und wie es hieß?
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