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Gedanken zum Zeitgeschehen 1

Einen Apfel vor der Tagesschau . . .

Nicht in die ferne Zeit verliere dich,
den Augenblick ergreife, der ist dein.
Schiller (Macbeth)

 

 

nach Zeitgeschehen 2

"Zeit"
Digitalbild von Gertrud Everding ©

Zum Vergrößern Bild anklicken!

     

Rätselhaft von Claus Günther ©

Ich heile alle Wunden, und doch bin ich kein Arzt.
Mein Rad hält niemand auf, doch ich bewege es nicht.
Ich bestimme den modischen Geschmack, obgleich ich niemals Mode trage.
Mein Zahn nagt an allem, doch ich habe kein Gesicht.
Ich koste viel, und ich bin auch Geld, und doch kann mich niemand kaufen.
Man kann mich gewinnen, aber nicht behalten.
Ich vergehe fortwährend, teils langsamer, teils schneller, obwohl ich stets beständig bleibe. Man teilt mich in Räume auf, obgleich ich unendlich bin.
Ich lasse mich sparen oder verschwenden, doch nehme ich weder ab noch zu.
Als Mehrzahl bin ich manchmal golden, manchmal herrlich und manchmal schrecklich, doch ich allein bin immer gleich.
Vielen bin ich zu kurz, wenigen zu lang, doch niemand kann mich wirklich ermessen.
Ich habe weder Vergangenheit noch Zukunft, denn ich bin immer da.
Man kann mich versäumen, verpassen und versetzen, aber niemals hintergehen.
Ich war, ich bin und bleibe unveränderlich, auch wenn ich noch so wechselhaft erscheine.
Nur wer schneller ist als ich, wird feststellen, dass es mich womöglich gar nicht gibt.

Nun sage mir: Weißt du wohl, wer ich bin? (Mit der Zeit wirst du's erfahren...)

     



Das Neueste vom politischen
Stammtisch
mit Augenzwinkern!

von Martin Ripp

 

Schlechte Nachrichten sind mit einem Apfel besser verdaulich!




     

Weitere Stammtischgeschichten: HIER anklicken!

Ordner 1 2 3 oder 4


 

   

Fiktiver Brief aus dem Jahre 1952 von Ernst Broers

Damals ein Albtraum - leider wurde er wahr!

Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister,

seit einiger Zeit beschäftigt mich eine sehr wichtige Frage und ich hoffe, dass es Ihnen möglich sein wird, mir diese zu beantworten.
Ich habe bisher geglaubt, was der "Förderverein der Privilegierten " F.d.P." lehrt:

"Die freie Marktwirtschaft ist die ideale Wirtschaftsform. Alle Probleme werden durch die Selbstheilungskräfte des Marktes, ohne irgendwelches Eingreifen des Staates, von selbst gelöst. Die Wirtschaft reguliert sich allein durch die Unternehmensgewinne und Dividenden."


Aber nachdem ich an der Einweihungsfeier der neuen vollautomatischen Automobilfabrik teilgenommen habe und nach Abschluß des offiziellen Teiles zufällig ein Gespräch belauschte, sind mir gewisse Zweifel gekommen und ich frage Sie, bezw. auch mich selbst . . .

Lassen Sie mich der Reihe nach berichten:
Nach den üblichen Ansprachen und dem obligatorischen Knopfdruck, der die Anlage in Betriebsetzte, wurden wir vom Direktor, einem der wenigen Angestellten des Werkes, durch die menschenleeren Hallen geführt, vorbei an den Fertigungsstraßen, die stündlich
120 Personenkraftwagen fertigen, ohne dass ein Mensch Hand anlegt, und das geschieht
24 Stunden an 365 Tagen im Jahr, also über eine Million PKW im Jahr, ohne dass auch nur ein Mensch sie berührt hätte. Wirklich absolut hygienisch!
Ich war gerade dabei, mir auszurechnen, welche Lohn- und Gehaltskosten, welche Sozialabgaben dabei eingespart würden,als ich unfreiwillig Zeuge einer Unterhaltung zwischen dem Direktor und einem Gewerkschaftsfunktionär wurde.
Der Direktor sagte: "Ihr Gewerkschafter behauptet doch immer ' Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will'. Nun zeigen Sie mal, was Sie können."
Da fing der Gewerkschafter an zu lachen: "Entschuldigen Sie," und dann lachte er wieder dröhnend.
"Aber was ist denn daran so komisch?" fragte der Direktor und der Gewerkschafter antwortete: "Warten wir erst einmal ab, wie Sie Ihr Problem in den Griff bekommen. Ich muß an das dumme Gesicht denken, das Sie machen werden, wenn Sie merken, dass Sie Ihr Problem nicht lösen können." -
"Wieso, was für ein Problem? Ich habe kein Problem!" -
"Na, dann verkaufen Sie der Anlage oder den Arbeitern, die jetzt ohne Einkommen sind, mal ein Auto. Später lasse ich die Anlage dann mal bestreiken. Aber schon heute kann ohne Geld keiner der Arbeitslosen etwas kaufen und deshalb sind die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer nicht schädlich für die Wirtschaft, sondern die Grundlage Ihres eigenen Profites, Herr Direktor.
Die Weltwirtschaft ist ein in sich geschlossenes System, ein Regelkreis: Wenn man an einer Stelle etwas entzieht, dann fehlt es im ganzen System. Die sogenannten 'Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft' können deshalb auch zur Selbstzerstörung der Marktwirtschaft führen und Sie sind dabei, diesen Prozeß einzuleiten. Und noch etwas: Wie reich könnten die Reichen sein, wenn möglichst viele Menschen, auch die in den Entwicklungsländern, so viel Geld hätten, Ihre Waren und Dienstleistungen im gleichen Maße zu kaufen, wie jetzt noch in den Industrieländern."
Und nun frage ich Sie, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister: Stimmt das mit dem Regelkreis? Hat der "FdP" recht, wenn er behauptet, dass die Wirtschaft nur von hohen Dividenden floriert? Entsteht die für den Markt notwendige Kaufkraft wirklich aus den Unternehmensgewinnen und Dividenden?

Hochachtungsvoll

Walter Proske, Arbeitsstudienmann.

Was muss noch alles geschehen, bis die Mächtigen dieser Welt
es endlich begreifen?

 


. . . auch das noch!

Hinterlistige Bemerkungen eines bekannten Literaturkritikers

November 2003.
In den letzten Tagen lasen wir eine Meldung der Deutschen
Presseagentur(dpa)

. . . es sagte Marcel Reich-Ranicki zum Erfolg von Prominenten-Biografien - z.B. Dieter Bohlens: Ich habe sein Buch nicht einmal angefasst. Aber ich denke doch, dass die gelegentliche Besprechung, selbst der abstoßendsten Trivialliteratur, nützlich sein kann - wie in der Medizin die Stuhlganganalyse.


Die Sozialkassen sind leer (November2003)

kommentiert von Martin Ripp
Dieser Beitrag ist durch Berichte aus einigen Tageszeitungen belegt.


Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt bangt wegen des Streits über die Praxisgebühr um den reibungslosen Start zum 1. Januar 2004. Es geht um das Risiko, wenn 'Notfallpatienten'
ihre zehn Euro Praxisgebühr nicht bezahlen.
Die Ärzte: „Risiko für die Krankenkassen; wir sind nur Einzugsstelle.“
Die Ministerin: „Die Praxisgebühr ist ein Vorschuß auf das Honorar der Ärzte.“
In Hamburg werden ab 1.1.2004 rund 52.000 Sozialhilfeempfänger ebenso behandelt wie Kassenpatienten. Sie müssen sich dann eine Krankenkasse suchen, in der sie zwar kein Mitglied werden, die aber die Abrechnung für sie übernimmt. Bisher zahlte das Sozialamt direkt an die Ärzte.
Bei 103,5 Millionen Euro Krankenhilfe im Jahre 2002 rechnet die Sozialexpertin der SPD-Bürgerschaftsfraktion Petra Brinkmann dadurch mit einer jährlichen Einsparung in Höhe von rund 20 Millionen Euro. – Das muss man sich mal vorstellen: Eine Einsparung von zwanzig Prozent! Wieso ist man darauf nicht schon viel früher gekommen?!
Diese zwanzig Millionen eingesparten Steuergelder gehen der Hamburger Ärzteschaft leider verloren. Sie konnte die Leistungen bisher außerhalb des festgelegten Budgets abrechnen, einfach eine Rechnung schreiben, die in der Regel nicht einmal überprüft wurde. –
Da kann man wirklich in diesen trüben Novembertagen traurig werden.

Martin Ripp


     

Skandale, Skandale
oder: Im Zeitalter permanenter Aufklärung

Betrachtungen von H.-W.Ecker


Wissen Sie, alle die Histörchen und Skandale, die in der sogenannten Regenbogenpresse dargeboten werden, kümmern mich absolut nicht; ich lasse sie links liegen nach dem Motto 'Getretner Quark wird breit, nicht stark.' Nein, was mich wirklich kümmert und betroffen macht, sind die bemerkenswerten, die politischen Skandale und die darin offenkundig werdende Mentalität. Was dann auf welche Weise abläuft, ist im allgemeinen ebenso bemerkenswert wie der Skandal selbst.
Erste Indizien dafür sind die ebenso wortreichen wie nichtssagenden Äußerungen irgendeines Subalternen aus dem betroffenen Ressort vor den Vertretern der Medien und sodann die Dementis, diese handlichen Mittel allgemeiner und politischer Taktik, die sich - wenn schon nicht langfristig wirksam, so doch wenigstens auf Zeit - als unentbehrliche Nothelfer der Bedrängten erweisen.
Wenn aber die denunzierten Machenschaften nicht nur ruchbar, sondern schon offensichtlich sind und kein Dementi mehr nützt, dann treten die Saubermänner jeglicher Couleur auf den Plan und fordern in demonstrativer Betroffenheit - selbstverständlich vor allen erreichbaren Mikrophonen und Kameras - rückhaltlose Aufklärung vor einem Untersuchungsausschuss. Es geht schließlich um die politische Kultur.

Sehen Sie, genau genommen muss man froh sein, dass es immer wieder solche Skandale gibt; wir wüssten ja sonst gar nicht, was politische Kultur ist. Denn die muss fortwährend entwickelt werden, ist sie in der Regel doch so sehr in die Tagesgeschehnisse eingewickeit, daß sie nur schwer erkennbar und das gemeine Wohl als letzter Zweck aller politischen Moral nicht mehr deutlich ist. So kann man den Staat als eine Art moralischer Anstalt sehen, eine Anstalt, in der politische Kultur entwickelt und den Bürgern an Skandalen zwar - also im Negativ, aber immerhin - exemplifiziert wird. Und die Untersuchungsausschüsse in der Folge solcher Skandale sind geradezu erzieherische Institutionen für die aufzuklärenden Bürger. Sie zeigen ihnen lehrreich und unterhaltsam zugleich, was ist, was sein oder auch nicht sein sollte. Und wenn ihnen dann das Moralische aufstößt, so ist der staatsbürgerliche Gewinn doch unvermeidlich.
Haben Sie eigentlich schon einmal mitbekommen, gar erlebt, wie es vor einem solchen Untersuchungsausschuss zugeht? Nein - Na, dann hören Sie zu.

Grundsatz jedes Untersuchungsausschusses ist : Lücken, vor allem lücken- und schonungslose Aufklärung der fraglichen Vorgänge und ihrer Hintergründe. Wir leben ja - was zwischendurch festgestellt sei - im Zeitalter permanenter Aufklärung, was allerdings auch den Schluss nahelegt, dass dieses Zeitalter ein düsteres, ein trübes ist. Also muss Licht in diese Trübnis gebracht werden. Unsere großen Aufklärer, denken Sie nur an Kant und Lessing, würden ihre helle Freude haben, wenn sie sähen, wie ihre Saat immer wieder so gut gedüngten Boden findet.
Wie sagte doch Kant, was Aufklärung sei? "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit...". Und bei den
Untersuchungsausschüssen im Anschluß an skandalöse Vorgänge denkt man , wie gesagt, an Aufklärung und vor allem an den Ausgang. Und zwar jeder denkt an den Ausgang im Sinne seiner eigenen Vorstellungen: der Ausschuss, die Skandaleure und die beobachtenden Bürger.
So geht dann besonders jeder vor den Ausschuss Gebetene davon aus, daß er von den zur Verhandlung stehenden Vorgängen erst im Spiegel der Presse erfahren habe. Im übrigen wisse er für den eigenen Zuständigkeitsbereich nur, dass er von den Einzelheiten und deren Hintergründen nichts gewusst habe und sich deshalb auch an nichts erinnern könne. Und dieses sokratisch bescheidene Nichtwissen nimmt zu mit der Höhe der Gehaltsansprüche.

Das alles sieht sich im Fernsehen dann so an:
Auftritt des zu Befragenden und seiner Inquisitoren in telegenem Outfit vor den Kameras und Mikrophonen der Reporter mit dünnem Lächeln und dicken Aktenbündeln. Man muss ja schließlich etwas haben, woran man sich halten kann, wenn schon jede Menge Zweifel besteht, dass die erhobenen Anwürfe haltlos sind.
Ein besonderes Zeremoniell von Selbstinszenierungen in immer neuen Kameraeinstellungen beginnt. Stühle und Akten werden gerückt. Großaufnahme des Gelassenheit mimenden Einzelnen am Tisch vor dem Ausschuss und Schwenk über die beachtlichen Aktenstapel zu den in Bedeutsamkeit gefrorenen Gesichtern der Ausschussmitglieder, im besonderen seines Vorsitzers. - Profilneurosen duften.
Das Ganze erinnert an 'Lohengrin', allerdings bar jeder Romantik: "Nie sollst du mich befragen!'' Elsa aber - ich meine selbstverständlich - der Ausschuss ist penetrant neugierig, will wissen, soll aber nicht. "Mein lieber Schwan!"
Und jeder geht, wovon im einzelnen auch immer, in jedem Falle aber davon aus, nach bestem - versteht sich immer beschränktem - Ressortwissen und -gewissen gehandelt zu haben, weshalb am Ende auch keiner davon aus dem Amte geht, schlimmstenfalls einmal einer als gezogene Konsequenz in den wohlverdienenden Ruhestand.
Aber irgend jemand muss doch verantwortlich sein, werden Sie einwenden.

Recht haben Sie. Nur muss man das alles sehr differenziert sehen. Und das ist die Aufgabe des Untersuchungsausschusses.
Sehen Sie, Verantwortung im demokratischen Staatswesen wird nach dem Prinzip der Delegation von oben nach unten verteilt Und wenn das richtig gemacht wird, dann ist die Verantwortung schließlich so verteilt, daß sie für jeden leichter wird und am Ende kaum noch irgendwo zu finden ist. Und genau da liegt das Problem.
Wenn Sie nun aber meinen sollten, dass unter diesen Voraussetzungen z.B. Minister nach irgendwelchen skandalösen Vorkommnissen in ihrem Hause den Hut nehmen müssten, so sind Ihnen die Komplexe und die feinen Verflechtungen in einem Ministerium einfach nicht vertraut: Erstens haben Minister, wie gesagt, die Verantwortung per Delegation an ihre Subalternen weitergegeben, haben also, genau genommen, gar keine mehr; zum anderen, wo sollten solche Menschen denn hin, wenn sie den Hut nähmen?
Etwa hinaus ins feindliche Leben der einfachen Bürger?

Und überdies, wo trägt man heute im politischen Geschäft noch Hut? Gewiss, man hält sich in der Regel bedeckt, aber nicht mit Hut, nein, man ist auf der Hut. Und sollte tatsächlich einmal ein Minister zur Disposition stehen, gar zurücktreten, was, wenn überhaupt, höchstens im explosiven Institut auf der Bonner Hardthöhe vorkommt, so tritt der zunächst einmal einen Subalternen auf die Füße, so dass der seinerseits tritt, und zwar in der Regel in den einstweiligen Ruhestand, den Stand der bestbezahlten Spaziergänger. Bei seinem Minister indes kann man sicher sein, dass der seine Stellung bis zum letzten verteidigt, auch wenn das noch kein hinreichender Beweis für einen guten Verteidigungsminister ist. Ohnehin muss nicht jeder, der irgendwo ein hohes Amt bekleidet, deswegen auch auf der Höhe sein. Nach alldem möchte der aufmerksame, inzwischen aber zunehmend depressive Beobachter der skandalumwitterten Szene so manchem Ministerialen nachdrücklich empfehlen: Geh aus, mein Herr, und suche Freud, damit das oft so plötzlich in den Tiefen unter dem Bewusstsein Versunkene oder Versenkte wieder zutage gefördert werde und sich der Mut zum Wagnis des Wissens einstellen möge!
Aber so mancher versinkt eben in abgründigen Tiefen, wenn er in sich geht; und nicht wenige müssen erst das Gesicht verlieren, bevor man sie identifizieren kann.

Nun sagen Sie, finden Sie es nicht auch aufschlussreich, durch Untersuchungsausschüsse zu der Einsicht zu gelangen, dass es Dinge gibt, die es - genauer untersucht - so gar nicht geben kann, wie sie der Öffentlichkeit erscheinen?
Auf diese Weise fördert man per Ausschuss das gemeine Wohl und am Ende, wenn schon nicht die wünschenswerte Aufklärung, so doch - wohl und ohne Übel - aus den Lücken der Erinnerung reines Gewissen zutage. Und dem nachdenklichen Zeitgenossen bestätigt sich, dass ein reines Gewissen ja auch gar nicht schmutzig werden kann, wenn man es nicht benutzt.
So muss sich der Bürger mit so manchem abfinden; die inquirierten Amtsträger indes wird man am Ende sehr wohl abfinden, wenn kein Staat mehr damit zu machen ist.


Es war einmal ... Nachdenkenswertes von Ernst Broers


Ja, bis gegen Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts gab es noch dieses seltsame Volk in der Mitte Europas.
An sich waren diese Menschen sehr intelligent und hatten ein sehr großes Wissen. Aber die höchste Intelligenz und die beste Bildung garantieren noch lange keinen guten Charakter und verpflichten auch nicht zum vernünftigen Handeln.
Ja, wenn der Egoismus der - nein, nicht der Politiker, die hatten zu gehorchen und bekamen die Schuld für die Misere. Also: Wenn der Egoismus der wirklich regierenden noch größer ist, als ihre Intelligenz, wenn sie bewährte Konventionen als 'alten Plunder' über Bord werfen und Geld allein die Weit regiert, was soll dabei heraus kommen?

Dass die menschliche Gemeinschaft auf Vertrauen beruht, das mochten Spinner glauben, die ja auch 'Treu und Glauben' für einen Rechtsgrundsatz hielten.
Klevere Geschäftsleute achten darauf, dass sie niemand betrügt.
Und man betrügt ja auch nicht, man ist nur geschäftstüchtiger, genau so, wie man nicht lügt, sondern nur geschickter mit der Wahrheit umgeht!
Nach ihrer Lehre stand auch nicht Solidarität und Hilfsbereitschaft, sondern die 'freie Entfaltung der Persönlichkeit über allem.
Der Grundsatz: "Recht zu tun, das ist des freien Menschen Freiheit." war für sie Unsinn, genau so wie: "Freiheit ist immer die Freiheit des Anderen". Was soll das für ein Anderer sein?"
Die Frauen lernten, dass ein Beruf, zum Beispiel der der Sekretärin, doch viel ehrenhafter sei, als der einer Hausfrau und Mutter.
Dass die Hausfrau und Mutter ja in mindestens einem Dutzend Berufen gute Kenntnisse haben muß, um den Kleinbetrieb "Famile" erfolgreich leiten zu können, das wurde verschwiegen.
Weiter wurde gelehrt, dass Frauen "sich selbst verwirklichen müssen, damit sie auf etwas stolz sein können".
Ein Kind zu einem Menschen zu erziehen, auf den die Menscheit stolz sein kann, was ist das schon? Die Mütter dieser "Führungspersönlichkeiten" hatten es ja auch nicht geschafft.
Die altmodische Ehe wich der 'Lebensabschnitts - Partnerschaft', und dort hinein passten doch keine Kinder. Wer sollte denn dafür aufkommen, wenn der Lebensabschitt vorüber war, bevor die Kinder eigene Wege gehen?
Und Kinder groß ziehen und erziehen kostet viel Zeit und Geld. Zeit, die man viel angenehmer auf Reisen und Partys verbringen kann und Geld, dass man (wenn man genügend hat) lieber in gewinnbringende Geschäfte steckt.
Wozu auch Kinder? Die warten doch nur auf's Erbe und haben keine Zeit, um die alten Eltern zu pflegen, da kann man doch lieber das Geld sparen und sich später im sonnigen Süden vom Personal aus einem Billiglohnland pflegen lassen.
Die paar Wirtschaftführer, die doch noch an Kinder und Enkel dachten, glaubten offensichtlich, wenn mit ihrer Hilfe die Erde einmal unbewohnbar würde, dass ihre Enkel vom lieben Gott mit dem ererbten Geld eine neue Erde kaufen könnten.
Naturschutz schmälert die Gewinne! Das ist doch nur etwas für grüne Spinner!

Die Wirtschaft, einmal entwickelt um die Menschen mit den notwendigen Waren und Dienstleistungen zu versorgen, war nur noch ein Mittel, um Geld auf die
Konten der Reichen zu schaufeln. Sie glaubten offensichtlich, dass die für eine Marktwirtschaft notwendige Kaufkraft ausschließlich aus den Unternehmensgewinnen entsteht. Danach handelten sie und deshalb wurde jede Möglichkeit genutzt, diese Gewinne zu steigern.
Zum Beispiel wurden keine Fachkräfte ausgebildet. Die Wirtschaft bestand zwar darauf, dass der Staat sich aus der Ausbildung heraushielt, weil dies ausschließlich eine Aufgabe der Wirtschschaft sei, aber der Wirtschaft war die Ausbildung zu teuer: Sie wollte zwar Fachkräfte haben, aber die gab es doch auch in den Billiglohnländern.
Als für ganz Europa eine einheitliche Währung, der Euro, eingeführt wurde, drehte man es gerade so hin, dass ein Euro fast genau zwei Einheiten der alten Währung entsprach.
Die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer wurden selbstverständlich entsprechend umgerechnet, bei den Preisen der Waren und Dienstleistungen wurde dagegen häufig nur das Zeichen für die Währung geändert und die Geschäftsleute wunderten sich sogar noch, dass die Menschen nicht mehr so viel wie früher kauften.
Dass es an der fehlenden Kaufkraft liegen könne, wie soll man darauf kommen?
Aber für weniger Kunden wurde weniger Verkaufspersonal gebraucht, also konnte man teures Verkaufspersonal entlassen und so Kosten sparen.
Damit man trotz der geringeren Umsätze die Unternehmensgewinne steigern konnte, wurden die Waren aus Billiglohnländern eingeführt und die eigenen Landsleute aus den Fertigungsbetrieben "freigestellt".
Da Arbeitslose kaum etwas kaufen können, ging es dem Handel noch schlechter und es wurde noch mehr Verkaufspersonal erwerbslos.
Es wurden auch weniger Wohnungen gebraucht, weil viele Menschen die Miete nicht aufbringen konnten und Obdachlose kaufen noch weniger.

Und da Arbeitslose keine Handwerkerarbeiten bezahlen konnten und Obdachlose sie nicht brauchten, ging es auch dem Handwerk schlecht und auch Handwerker wurden "freigestellt".
Der Wirtschaft war am Ende so marode, dass sogar Direktoren und andere Manager entlassen wurden, um zu sparen.
Damit es diese "verdienten Menschen" aber nicht allzuschwer traf, bekamen sie "kleine" Abfindungen, nicht selten etwa in der Höhe, wie 20, 30 oder noch mehr normale Arbeitnehmer in ihrem ganzen Berufsleben verdient hätten.
Aber auch dieses Geld kurbelte die Konjunktur nicht an.

Es ging der Wirtschaft immer schlechter, denn die sogenannten "Manager" begriffen nicht, dass in einer Marktwirtschaft dem Angebot an Waren und Dienstleistungen eine entsprechende Kaufkraft gegenüber stehen muß und dass diese Kaufkraft in erster Linie aus den Löhnen und Gehältern der Arbeitnehmer entsteht.
Die klugen Köpfe hatten die Zeichen der Zeit nicht verstanden und nicht bemerkt, dass sie ihr Wirtschaftssystem erdrosselten, dass sie bei der Abschaffung des Kapitalismus am Ende erfolgreicher waren, als die Kommunisten.
Ja, und welcher intelligente Mensch kann so herzlos sein, Kinder für die Obdachlosigkeit, für die Aussichtslosigkeit zu zeugen? So wurde die Geburtenrate dieses Volkes immer geringer, die letzten gingen elendiglich zugrunde, ohne Hoffnung und ohne Zukunft.
Eines Tages lebten nur noch Menschen aus Billiglohnländern in einem ausgebluteten Mitteleuropa. Kann sich noch jemand erinnern, was für ein Volk das damals war und wie es hieß?

 

 

Große Freiheit - nur eine Amüsiermeile von Martin Ripp


Er zog die grüne Arbeitsweste aus und legte sie über die Lehne. Hier auf der schattigen Bank unter der Buche war es erträglicher. Sein T-Shirt musste am Körper trocknen. Mit bloßem Oberkörper wollte er sich nicht zeigen. Er nahm einen großen Schluck aus der Flasche mit Mineralwasser, die er sich am Kiosk gekauft hatte, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus.
Wenn ihn einer kontrollierte, könnte der genau feststellen, wie viel er heute in vier Stunden geschafft hatte. Das Gewitter in der vergangenen Nacht hatte Zweige und Blätter von den Bäumen gerissen. Der bereits in den Vortagen von ihm aufgeschüttete Weg – bis gestern wie ein Damm wirkend – hob sich nicht mehr von der ausgedörrten Rasenfläche ab.

Foto: Literadies

Übergangslos bedeckten Laub und vertrocknete Lindenblüten Wiese und Weg.
Seit vier Tagen war er dabei, den Trampelpfad, der vom kürzlich bezogenen Wohnblock am Rande des Eichtalparks quer über eine Wiese zum Hauptweg verlief, zu verbreitern und mit Kies aufzufüllen. Fünf Tage hatte die Gesellschaft für diesen Auftrag angesetzt. Den Rest würde er heute Nachmittag oder spätestens morgen schaffen. Obwohl auch bei dieser Tätigkeit seine handwerklichen und technischen Kenntnisse wieder nicht erforderlich waren, empfand er diese Beschäftigung nicht als diskriminierend. Er hatte das Kinn in die rechte Hand gestützt, die Augen geschlossen, um ein wenig zu dösen. Ihm war, als würde er auf seinem eigenen, parkähnlichen Grundstück arbeiten. Der aufgeschüttete Weg führte von seiner Villa zum mit Seerosen bedeckten Teich. Die Rhododendron-Sträucher am Rande bildeten die Grenze zum Nachbarn. Und die Amsel oben in der Buche sang nur für ihn.

Plötzlich schreckte er hoch, weil die alte Frau, bevor sie sich ans andere Bankende setzte, mit ihrem Ziehwagen über die Spitzen seiner Schuhe gefahren war. „Entschuldigen Sie bitte!“ sagte sie lachend. „Ich hoffe, Sie sind nicht verletzt. Sie sollten jetzt nicht schlafen. Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“

Sie öffnete ihre auf dem Wagen angeschnallte Tasche und reichte ihm einen mit Folie abgedeckten Pappteller. „Selbstgebacken!“ sagte sie aufmunternd. Zögernd nahm er ihn entgegen und stellte ihn in die Mitte der Bank.
Verärgert sagte er: „Zuerst fahren Sie mir über die Füße und reißen mich aus meinem Traum, und dann bieten Sie mir Ihren Kuchen an. Was wollen Sie damit bezwecken?“
„Gar nichts! Nur weil Sie trotz der Hitze so fleißig sind, junger Mann!“
Er schüttelte den Kopf. „Fühlen Sie sich etwa beauftragt, mich zu überwachen? Und ein junger Mann bin ich auch nicht mehr!“
„Doch! Für mich, mit meinen zweiundachtzig Jahren, sind Sie noch eine junger, fleißiger Mann!“ Genüsslich leerte er die Flasche bis zur Hälfte und sah sie dabei provozierend an. „Sie können Ihren Kuchen wieder mitnehmen! Ich habe heute morgen gut gefrühstückt und bin nur durstig.“

Fotograf: jerzy/pixelio

„Nur keine falsche Bescheidenheit!“ antwortete sie resolut. „Wie ich sehe, langt es mittags nur für Wasser. - Kein Wunder, beim Stundenlohn von einem Euro!“
„Wie kommen Sie denn darauf?“ fragte er überrascht und nahm sich ein Stück Kuchen.
„Das hat mir der Fahrer von der Beschäftigungsgesellschaft erzählt, der Montag den Sandberg abgekippt hat und Sie jeden morgen um acht mit Schubkarre und Schaufel davor ablädt und nachmittags um drei wieder abholt.“
Er griff schnell zum Mineralwasser, weil ihm der Zuckerguß sonst im Halse stecken geblieben wäre, räusperte sich und aß schweigend weiter.

Sie nahm das Gespräch wieder auf. „Kommen Sie aus dem Osten, aus Mecklenburg?“
Jetzt musste er lachen. „Sie meinen, sich mit Ihrem Kuchen meine Lebensgeschichte erkaufen zu können! Ich tue Ihnen den Gefallen! Wie kommen Sie auf Mecklenburg? Ich bin Hamburger! Sogar Sankt Paulianer, 1949 in der Straße Große Freiheit geboren.“
„Nun wollen Sie mir einen Bären aufbinden!“ antwortete sie beleidigt. „Da können Sie gar nicht gewohnt haben: Große Freiheit ist nur eine Amüsiermeile!“
„Ich habe da auch nicht gewohnt. Aufgewachsen bin ich bei meinen Großeltern in Barmbek.“
„Und was ist mit Ihren Eltern passiert?“
Er überging diese Frage und sagte: „Ich entschädige Sie lieber mit einem anderen Lebensabschnitt: Das Meer ist die große Freiheit, wird gesagt. Ich wollte sie auch spüren und heuerte nach der Lehre bei Blohm&Voss auf der ‚Cap San Diego’ an, die bis---“
„Auf dem Museumsschiff?“ unterbrach sie ihn.
„Ja, das war bis Mitte der achtziger Jahre noch im Einsatz. Als Stückgutfrachter hatten wir zusätzlich zwölf Kabinen an Bord und die große Freiheit gab es vielleicht nur für die Passagiere. Ich war als ‚Assi’ im Maschinenraum eingesperrt und ständiger Hitze ausgesetzt.“ Er hielt inne, als spürte er die Hitze noch immer, setzte die Wasserflasche an die Lippen und schob mit der anderen Hand den Pappteller an ihre Seite. „Jetzt müssen Sie aber essen!“
Sie lachte. „Nur wenn Sie weiter erzählen!“

„Wir haben mit Maschinen und Chemikalien Südamerika bedient. In Buenos Aires gab es als Rückfracht oft Rinderfelle, die einzeln in den unteren Laderäumen ausgebreitet und eingesalzen wurden. Dadurch hatten wir manchmal Liegezeiten von vierzehn Tagen. Was meinen Sie, was ich alles erlebt habe! Das war meine schönste Zeit!“ Er lächelte verträumt.
„Bitte weiter!“ bettelte sie. „Ruhig auch ein bisschen ‚Seemannsgarn’!“
Er schmunzelte über ihre Hartnäckigkeit. „Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Und ‚Seemannsgarn’ ist das bestimmt nicht!“ antwortete er. „Ich lernte eine Frau kennen, die bald meine Frau wurde. Seefahrt und Ehe vertragen sich nicht besonders gut. Ich musterte ab und fing bei einer Werft an. Das ging viele Jahre gut. Mit der Schließung und Zusammenlegung der Werften wurden Tausende entlassen. Südkorea und China bauten die Schiffe billiger!“

Er blickte auf die Uhr. „Meine Mittagszeit ist gleich vorbei.“ Er stand auf und deutete eine Verbeugung an. „Vielen Dank für den Butterkuchen!“ Lächelnd ergriff er die hinter der Bank abgestellte Karre und sagte im Vorbeischieben: „Ich arbeite jetzt weiter in meinem großen Garten.“

Bild Seefahrt: Fotograf: Albertjohannes/Pixelio


   


"Gammelfleisch" an der Uni
von Helga Frohwann


Manda: Moin Lina, du guckst ja heute so fünsch !
Lina: Ja, ja, mein Enkel hat mich wieder mal angepumpt.

Manda: Warum gibst Du ihm denn noch was! Ich kann sowieso nicht verstehen, warum
er seinen schönen Job bei der Lufthansa aufgegeben hat. Umschulung als
Erzieher, mit so wenig Geld. Das is 'ne schöne Selbstverwirklichung!
Der wird sich noch wundern!

Lina: Na ja, ich hab ja 'ne prima Rente und brauch' für mich fast nichts mehr.
Meine Kleider kann ich in hundert Jahren nicht auftragen, naschen is nich,
wegen Zucker, bei leckerem Essen streikt meine Galle und verreisen kann ich
auch nich mehr wegen Blase und Laufen. Also, was soll's! "Die besten Steaks
kommen immer, wenn du sie nicht mehr kauen kannst - hett min Grootmodder
al seggt.

Manda: Im Fernsehen nennen sie uns "Gammelfleisch!"
Lina: Na, kiek uns doch mal an, gammlig sünd wi jo al.

Manda: Aber die Jugend hat doch Schiss vor uns! Grad hab ich 'n Artikel gelesen,
dass die Studenten sehr beunruhigt und verärgert sind. Du kannst jetzt nämlich an'e Uni studieren, "Kontaktstudium für ältere Erwachsene" heißt das, und die Studenten beschweren sich, dass die
Senioren in Massen auftauchen. Sie sind richtig ätzend, kommen nie zu spät, besetzen die besten Plätze, haben immer ihre Schularbeiten, schlafen
in den Vorlesungen nie ein und fragen der Kuh das Kalb ab.

Lina: Na, so gammelig scheinen wir denn ja doch nicht zu sein.
Manda: Clever ist die Jugend aber auch nicht. Sollen sich doch mit den Ollen anfreunden, dann besetzen die ihnen auch 'nen Platz.

Lina: Na, wi köönt dor sowieso nix an ännern. - Mensch, is jo al teihn! lk mutt nu los
no'n Dokter. Denn man tschüs ok.
Manda: Tschüs, Lina!

 

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