Hedwig von Hanne
Kloos
Es
war Erntezeit. Das Getreide stand noch auf den Feldern. Die reifen Ähren
bogen die langen Halme tief nach unten, einige Körner waren schon
auf die Erde gefallen. Hoch aufgetürmt lagen Feldsteine am Rande
des Feldes, die der Bauer jedesmal beim Pflügen aus dem Boden holte.
Gut getarnt von Grasbüscheln und ein paar Wildkräutern, saß
Hedwig, eine Rötelmaus, am Ausgang eines ihrer vielen Mauselöcher,
das gut versteckt zwischen den Steinen lag. Der Wind trug den typischen
Korngeruch zu ihr herüber. Sie gähnte und streckte ausgiebig
ihren kleinen Körper, zog den langen Schwanz heran und fing an, sich
zu putzen. Sie war nicht ängstlich, von dieser Stelle konnte sie
die Umgebung weit beobachten.
Der Bauer kam aus dem Haus und schaute zufrieden über sein Feld bis
zum Waldrand hinüber. Das würde eine gute Ernte in diesem Jahr
geben. Es war höchste Zeit, wenn das Wetter so bliebe, würde
das Korn in ein paar Tagen eingefahren sein. Er ahnte nicht, daß
er von einem Paar schwarzer Knopfaugen beobachtet wurde. 
Hedwig lauschte mit ihren kleinen, runden Ohren angestrengt nach allen
Seiten, man kann ja nie wissen .... sie war eine kluge und vorsichtige
Maus.
Schon
vor einigen Jahren hatte sie ihre Winterwohnung auf diesen Hof verlegt.Von
einem langen
Winterschlaf hielt sie nicht viel und hier, in den Ställen wurde
es ihr nie langweilig, es war im Heu schön warm und außerdem
fand sie zum Fressen auch immer genug.
Da sie gerne in der weichen Erde wühlte, hatte sie im Laufe der Jahre
ein weit verzweigtes Labyrinth von Gängen angelegt, mit vielen versteckten
Ausgängen. Sogar bis an den Rand des Kornfeldes, wo sie in einem
dicht bewachsenen Knick ihre Sommerwohnung mit vielen Vorratskammern angelegt
hatte.
Zwischen
den Wurzeln eines abgestorbenen Baumstammes war ihre Kinderstube, schön
weich ausgepolstert mit Schafwolle .... dort brachte sie in Ruhe und gut
geschützt ihre zahlreichen Kinder zur Weit. Liebevoll wärmte
und putzte sie die nackten Winzlinge.
Sie wuchsen
schnell heran, tobten durch die Gänge und liefen jeden Tag weiter
hinaus,
bis zum Feldrand, sie hatte eine Menge zu tun mit den Rangen. Eines Tages
waren sie selbständig und zogen aus. In diesem Jahr war ihr noch
kein geeigneterMäuserich begegnet. Somit
konnte siesich jetzt erst einmal auf das Sammeln von Nahrung konzentrieren,
denn ihre Speicher wollte sie immer gut gefüllt halten.
Erst recht nach dem Erlebnis im letzten Jahr ....... Hedwig
war es gewohnt, überall auf dem
Hof und in den Ställen herumzulaufen. Umso mehrerschrak sie, als
ihr plötzlich eine riesige Pfote den Weg zum Hühnerstall versperrte.
Blitzschnell sprang sie zur Seite und flitzte in einen nahegelegenen Gang
unter einem Strauch. Sie spürte ihr Mäuseherz heftig bis zum
Halse schlagen. Das war noch einmal gut gegangen, vor Aufregung putzte
sie sich die Barthaare. Schnell lief sie zum nächsten Ausgang, rannte
um den Strauch herum und schaute von der hinteren Seite nach, wer zu dieser
Pfote gehörte ..... Ein junger Schäferhund lag dort vor dem
Strauch und beobachtete die Stelle, wo sie verschwunden war. Na, wenn
der sich jetzt hier breit machte, wäre es mit dem ruhigen Leben wohl
vorbei. Aber Hedwig war auf alle Fälle vorbereitet, schließlich
war sie eine Wühlmaus und wohnte hier seit Jahren auf dem Hof, sie
kannte jeden Winkel. Mit dem Hund wollte sie schon fertig werden.
Sie beruhigte
sich wieder und blieb noch eine Weile in sicherer Entfernung sitzen. Dem
Hund wurde es bald zu langweilig, sein Spielzeug tauchte nicht mehr auf,
somit verflog sein Interesse schnell und er trottete wieder zum Wohnhaus
zurück.
Jetzt rannte Hedwig, so schnell sie konnte, zum Hühnerstall und knabberte
an einigen Maiskörnern. Der weite Weg über die Wiese war ihr
zu riskant geworden, denn der Hund konnte ja wiederkommen. Sie suchte
sich in einer dunklen Ecke des Hühnerstalles unter ein paar Körben
eine geschützte Stelle und grub geschwind mit den kleinen scharfen
Krallen ein neues Loch. Geschickt stellte sie eine Verbindung zu ihrem
Gängelabyrinth her und war erst zufrieden, als sie noch einen neuen
Ausgang angelegt hatte, weit hinter dem Hühnerstallzaun.... Nun konnte
der Tollpatsch von Hund ruhig kommen, sie würde ihm schon zeigen,
wer von ihnen klüger und flinker war. 
Nach diesem Erlebnis wurde sie vorsichtiger und schaute sich immer wieder
um, hielt erst einmal Ausschau nach Gefahren, die hier überall lauern
konnten, denn die Schafe und Kühe des Bauern kümmerten sich
nicht um sie, und die vielen Füße konnten ihr da schon gefährlich
werden.Fleißig sammelte sie weiter die Wolle für ihre Schlafplätze,
schleppte Wurzeln, Samen, Gräser und stibitzte das Hühnerfutter.
Erst, wenn sie damit fertig war, suchte sie unter den Baumrinden nach
leckeren Larven und Insekten, denn für den nächsten Winter brauchte
sie noch etwas mehr Speck auf den Rippen. Vielleicht begegnete ihr in
der nächsten Zeit doch noch ein stattlicher Mäuserich ... .
Jetzt war sie bereit, wieder eine neue Schar kleiner Wühlmäuse
in die Welt zu setzen....
Nach diesem arbeitsreichen und aufregenden Tag putzte Hedwig zufrieden
und ausgiebig ihr dichtes, rostfarbenes Fell, lief in eine ihrer Schlafkammern,
rollte sich zusammen, deckte sich mit ihrem langen Schwanz zu und schlief
entspannt ein.
           
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Louis,
der Kater
9. Katzengeschichte
mit eigenen Fotos
von Hanne Kloos©
Louis Rückkehr
aufs Land
Hallo
Lili, hallo Frauchen!
Juchhu,
ich habe es geschafft!
Nach
einer langen Reise in dem großen Auto bin ich fast im Paradies gelandet.
Natürlich hatte ich erst furchtbare Angst, wo ich wohl landen würde.
Aber so ein Kerl, wie ich es jetzt bin, zeigt das nicht, neiiiiin. Zuerst
kam ich in ein großes Katzenhaus. Dort warteten schon einige Kollegen
auf mich. Nach einer langen Begrüßung, sie wollten alle an
mir schnuppern, habe ich mir erst einmal den Bauch gefüllt, danach
suchte ich mir einen schönen Schlafplatz und machte es mir gemütlich.
Ach Lili, es würde dir hier auch gut gefallen, wir wohnen in einem
wunderschönen Garten mit vielen Bäumen, Blumen und anderen Tieren.
Nachdem
ich mich eingelebt hatte, durfte ich durch den Garten laufen, da lernte
ich sie alle kennen. Wir haben uns inzwischen etwas angefreundet. In einem
Gehege wohnt der Jannis, ein weißer Enterich. Stell dir mal vor,
der hat eine ulkige Frau, die geht so lustig auf ihren langen Beinen.
Er sagte zu mir, sie käme aus China und wäre eine Laufente.
Ich bin nur gespannt wie ihre Kinder aussehen, bei der Mischung...
In
einem Nachbarhaus wohnen drei kleine Frettchen, sie bekommen noch eine
Flasche
mit Milch, es sind ja noch Babies. Da bleibe ich aber nicht so lange,
sie riechen so streng
In dem kleinen Teich wohnen ein paar Schildkröten, leider kann ich
nicht tauchen, sonst würde ich sie auch mal besuchen. In dem großen
Teich wohnen die Frösche und Kröten, manchmal taucht auch ein
Fisch auf, aber da darf ich nicht fischen, schade.
Den großen Gänsen, Agathe und Emmi, gehe ich noch aus dem Weg,
wenn sie so stürmisch angelaufen kommen, verstecke ich mich schnell
im Gebüsch.
Sie sind die "Wachhunde" im Garten, alles wird mit lautem Geschnatter
begrüßt oder gehackt, selbst die Hunde haben da nichts zu lachen.
Davon gibt es hier drei Exemplare, sie sind aber sehr katzenfreundlich
und lassen uns in Ruhe.
Außerdem würden sie mich gar nicht verstehen, sie sprechen
Spanisch, das habe ich noch nicht gelernt...
Manchmal kommen Leute mit kleinen Vögeln, Entenbabys oder auch mal
mit einem Otterbaby und ähnlichem. Die werden alle gut versorgt und
aufgezogen, mein neues
Zuhause ist nämlich eine Tierhilfestation. Jaaa, ich darf hier frei
leben und herumstromern.
Hinter dem Garten sind viele Felder und ein Wald, was ich da schon alles
gesehen und erlebt habe, Lili, ich glaube, du hättest doch etwas
Angst davor.
Ein großer Kater, wie ich, kennt keine Angst, ich bin meistens unterwegs
und gehe nur zum Fressen nach Hause, das schmeckt mir doch besser, als
'ne kleine Mauseportion.
Hier bleibe ich, Lili, und wenn ihr, du und Frauchen mal Lust auf eine
Reise habt, dann kommt mich doch einfach besuchen, ich würde mich
gaaanz doll freuen.
Hoffentlich bist du mir nicht mehr böse, dass ich dich so oft geärgert
habe, ich habe es doch nicht böse gemeint, kleine wilde Kater sind
eben oft sehr anstrengend. Ich bin froh, dass ich ein Jahr lang bei dir
sein durfte und dass du und Frauchen sooo viel Geduld mit mir hattet.
Ich denke
an euch und bleibe immer
euer Freund
Louis.
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