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Marlous Gedichte:

 

herbstliches sinngedicht
von marlou lessing

in allem grün war dieses rot verborgen
und alles grün verbirgt sich jetzt in ihm.
(was heute gestern ist, ist auch schon morgen.)

der himmel schäumt von wolken, glüht am rand.
die nachtigallen, die den flug besorgen,
bekümmert nicht der böen ungestüm.
gelassen kreuzen sie das dunkle land,

das, frischgefurcht, sich strenger zu mir wendet
als wie zu einer, die gleich wolken treibt.
und das ist wahr: wo alles wechselt, endet,
liegt dieses dunkle land am grund und bleibt.

darüber, eins am andern, unerreicht
blüht und verfällt, das grün, das rot erscheint,
und immer eins dem andern ganz verpfändet,
verbunden, doch das Eine kehrt nicht wieder


ich falle einmal nur zur erde nieder,
und es folgt keine mehr von allen, die mir gleicht.
(auch dies sei täuschung, sagte mir ein freund.)


und herbst ist: aus dem all ins Eine fallen.
fliegt, und wir sehn uns wieder, nachtigallen!

ein besonders schöner Apfel für Marlou
zu Herbstlicher Dialog
vier Gedichte

Zum Gedenken an den Feuersturm in Hamburg
(Dialog)

 


fähre


über die elbe laß ich mich treiben
grün sind die pappeln braun ist der fluß
grün sind die pappeln grün sind die weiden
grün sind die ufer über dem fluß

sonne am morgen hängt sich ins blaue
pappeln in reihe kühe vermischt
grün ist das schilfrohr grau sind die taue
rollen die wellen unter der gischt

kurz ist der sommer lang ist die ebbe
über die elbe wieder ins grün
grau sind die möwen, grau sind die taue
blau ist der himmel. küssen wir ihn.

tage

so wie die tauben auf den schmalsten simsen
sich endlos balzend um sich selber drehen
und wie die tanzenden auf schwanken zehen
sich durch die augenlosen marken winden

befind ich mich, erstaunt, dieweil die tage,
vertanzt zur zeit an diesen fadenenden
der stadt, sich eins dem anderen verpfänden
zu ungemessen endlichem betrage.

doch ob der tage unentwegter glätte
wird einmal noch des winters zeichen stehn
das lautlos aufbrach aus dem rauhen reif:

gott liegt im horizont, ein blasser streif,
wenn meine tage aus der tage kette
sich schimmernd lösen und im glanz vergehn.





sommernacht

es ist die zeit des lieds der grillen.
das lied wird dunkler, fällt in nacht.
die türme, die die gründe füllen,
sind längst im traum zu fall gebracht.

das lied hält aus entlang der straßen,
im streifen, den das dunkel fraß.
- der turm erschlägt, die das vergaßen
und die das dunkel nie vergaß.

text: marlou lessing

"sommernacht"
digitalbild: gertrud everding

     
     

"norddeutsches flachland," sagte der bahnreisende leicht genervt,

"norddeutsches flachland."

dies sind die seen, die mir den sommer gaben
dies ist das feld, das meine weihnacht trägt -
das laub steigt in den pappeln hoch im herbst -;
hier sind, von hellen halmen schwach bewegt
die mulden, die den schnee gehalten haben
das moor, dem du den toten leib vererbst

und hier am ufer stehn aus hellem wachen
die pappeln scheu und schmerzhaft klar um dich -
du siehst durch sie den tod und sie durch ihn
dein herz, dem sie den zackenkranz zerbrachen,
in ihrem weit ins blau entstiegnen grün
das gold bewahrend, das aus dir entwich.

pappel, winter

komm, oder steh
in leichter ferne!
das feingekörnte eis durchstreicht mein haar.
meine offene hand
verdunkelt nicht licht noch laub.
ein loses blatt liegt darauf,
darum ist sie immer geschlossen;
für deinen sinn, nicht für deinen blick. -
so komm! für deine sinne soll es reichen.
wir kehren in die schöne form zurück
indes wir leise, leise daraus entweichen.

marlou lessing

Spinnennetz

arachne
spannt
ihr innerstes
ins nichts.
da schwebt es,
ohne zeit.

was fängt sie?
das nichts,
das licht,
mein herz.

marlou lessing

 

wie es kam


die kleine unwucht ist gestorben
sie liegt als unwucht tot im raum
ihr fleisch ist weiß und halb verdorbe
n
der rotor singt im kabelbaum

der thermopulser ist gebrochen
der unwucht brach das eisenherz
die CPU hat kalt wie erz
ein datenwort gesprochen

marlou lessing



das jahr sprang auf und lief davon
ich hab ihm nichts getan
krieg ich von wem vielleicht
schadenersatz?

marlou lessing




mein blatt, zerknüllt, vervielfacht und zerrissen,
liegt hinter mir. an nichts rührt meine hand.
mein schlaf liegt fern, auf einem andern kissen,
und die gedichte draußen unterm land.

text: marlou lessing

"wildrose"
digitalbild/ gertrud everding



"in mir"
digitalbild/ gertrud everding



Selbstzerstörung


laßt mich!
ich fresse mich
erst langsam
dann schnell
dann ganz
dann bin ich
in mir.

 

marlou lessing


ich sage: luft; du sprichst vom kühlen stein
der in blassroten klöstern uns umringt;
ich sage: licht; du tauchst in wasser ein
das aus der erde in den himmel dringt;

ich sage: spiel; du nennst die ganze welt
und was vom schrei zum tod mit uns geschah;
ich sage: schluss; du zeigst den stern, der fällt
und sich im neuen sternbild neu gebar.

ich sage: dichtkunst; und du weist mit lachen
den atem eines müdgejagten tieres;
ich sag nichts mehr; du lockst in allen sprachen
das schweigen aus dem farn des waldrevieres…

und doch ist eins ums andre stets das eine:
was ich verschwieg, und was du meinst, ich meine.

marlou lessing

     
 

"spiel" digitalbild/ gertrud everding

     
     

 

 
     
     
   
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-
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