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Zum Gedenken
an den "Feuersturm" 1943
in Hamburg




Dialog

Juli 2003

von
Gertrud Everding
und Marlou Lessing


"Feuersturm" Bild von Gertrud Everding/Literadies
http://www.seniorennet-hamburg.de/zeitzeugen/zeitindex_d.php

   
Immer wieder . . .

Immer noch...

Nie darf ich vergessen, was geschah
in jenen Tagen, in meiner Stadt,
als die Hölle tobte im Flammensturm.

Wann werde ich vergessen, wie es war,
als die Stadt, die mich aufzog
zu Staub wurde?

Ein Kind war ich, zusammengekauert im Keller,
darüber das Heulen und Krachen der Bomben,
und ach, die armen Häuser, schreiend in Todesqual.

Ich duckte mich weg, damit es nicht wahr sei,
damit es mich nicht betraf, aber die Bomben
verschonten nur meinen Leib.

Die Straßen, die Häuser,
ein Flammenmeer, ein brüllendes Toben!
Die hohen Ahornbäume nun glosende Fackeln,

Die Hölle ging auf, verstummte und erschrak
vor diesen Nächten, in denen alles
um mich den Tod empfing.

Die grünen Blätter nun glühender Schnee.
und mittendrin wir, voll Entsetzen,
auf dem Weg zwischen Leben und Tod. -

 

 

Digitalbild:Gertrud Everding/Literadies

 

 

 

"Flammen"
Wachsbild von Elfi Bock/
Literadies



Aus dem Gedächtnis der Menschheit getilgt
alles, was hier jemals gewesen war,
bis auf den Untergang

Und wieder sind sie grün, die Bäume,
die Stadt atmet Frieden.
Ein Auto brummt irgendwo.

Nach dem Untergang begann
die Menschheit sogleich ein Neues.
Soll ich sie darum lieben?

Die Kinder spielen im Sonnenschein.
Was soll das Brummen? Nicht Autos,
nein Bomber sind's! Sie greifen wieder an!

Wann werde ich vergessen, wie es war
als die Stadt, die mich aufzog
zu Asche wurde --?

Sirenen heulen - - -
O Gott, warum?

Marlou Lessing
Gertrud Everding



Gedanken zum Feuersturm
von Hans-Werner Ecker

 

Unvergessen

Die Nacht hängt in den Straßenschluchten,
liegt auf den schwarzen Wassern in den Fleeten..
Sirenen heulen schwellend nah und fern,
den Menschen längst bekanntes Zeichen
und doch stets neue Schrecken kündend.

Am Himmel dumpfes, unheilvolles Dröhnen.
Irrlichternd suchen lange Geisterfinger
im unaufhörlichen Gedröhne
das Unsichtbare zu erfassen,
sich seiner zu erwehren.

Und das gequälte Leben verkriecht sich stumpf
in Bunkern, Kellern und in düsteren Verliesen,
harrt angstvoll auf den nächsten Tag,
den ihm der Tod bestreitet.


 

 

 




Und aus dem Himmel fällt das Feuer
zischend in die engen Häuserzeilen,
brennt sie nieder, höhlt sie aus
zu funkensprühenden Ruinen,
aus deren schwarzen Mauerlöchern
rote Feuerzungen gierig lecken.

Der Hölle Gluten steigen auf,
bis sie zum Sturm sich einen,
zum tosend gieren Flammenschlund,
in dessen heißem Atem
des Menschen Antlitz stirbt und
- zur Unkenntlichkeit entstellt - verglüht.

Im Prasseln der sengenden Feuer
erstickt der qualvolle Schrei der todwunden Stadt,
verstummt in hilfesuchend gefalteten Händen.
Und in den apathisch müden Gebärden
haust des Menschen namenloses Leid.

Leben?
Ein Wunder, wenn es den neuen Tag noch sieht.

H.-W. Ecker

 

Rückbesinnung
an den 27./28. Juli 1943
in Hammerbrook
von Elfi Bock
FensterNikolai-Kirche

Die Puppe Deloris

Das Kind saß im Bunker
Strich der Puppe
Über den Kopf
Aus Zelluloid
Hab keine Angst
Ich bin bei dir!

Die Mutter
Strich dem Kind
Über den Kopf
Hab keine Angst
Ich bin bei dir und
Gott wird uns beschützen!

Nach Stunden
werden sie erlöst
Dürfen den Bunker verlassen
Die Mutter
umklammert das Kind
Das Kind umklammert Deloris

Der Feuersturm umklammert
Die große Stadt
Die Puppe brennt zuerst
Hab keine Angst
Ich bin bei dir und
Gott wird uns beschützen

Elfi Bock


in der Nikolaikirche
in Hamburg
Drei Kreidezeichnungen von
Elfi Bock/Literadies

Portal der Nikolaikirche in Hamburg Portal der Nikolaikirche

 



Spitzbögen

 




Zum Gedenken


24.07. 2003


Bei einer Feierstunde
am Mahnmal St: Nikolai,
zum 60. Jahrestag
der Zerstörung Hamburgs,
nahmen sehr viele Menschen teil.
Der britische Botschafter
Sir Peter Torry
fand bereits im Rathaus
ergreifende Worte des Friedens.
Ralph Giordano erhielt
nach seiner Rede großen Beifall.
Ich war anwesend
bei der Feierstunde
am Mahnmal des Friedens St. Nicolai,
hörte die Friedensglocken,
und meine Gedanken gingen
zu den Opfern jener Nächte,
im Hamburg von 1943.

Elfi Bock

 

Melodie bei: http://www.tourdenatur.net/lieder/schalom.htm

Schalom chaverim (Lied aus Israel)

Dies ist auch die Melodie der Friedensglocken
von St. Nikolai in Hamburg.

Scha-lom cha-ve-rim, scha-lom cha-ve-rot!
Scha-lom, scha-lom!
Le hit-ra-ot, le hit-ra-ot,
Scha-lom, scha-lom!

Farewell, good friends, Farewell, good friends,
Shalom, shalom! ...
Till we meet again, till we meet again,
Shalom, shalom.

Leb wohl, lieber Freund, leb wohl, lieber Freund,
lass Frieden sein.
Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn,
lass Frieden sein!

Chaverim - Freunde
Chaverot - Freundinnen



Eines ist klar:

Nur wenn wir den Krieg
aus ganzer Seele hassen,
wenn wir unsere Nachkommen lehren, den Krieg mit allen Fasern zu verabscheuen,
kann das Morden in der Welt aufhören.

Flieg, weiße Taube,
trage den Ölzweig
des Friedens
in die ganze Welt.

Elfi Bock
Hans-Werner Ecker
Gertrud Everding
Marlou Lessing



Wir gedenken auch der Opfer von Coventry, London, Dresden,
Köln, Berlin, Magdeburg und vielen, vielen anderen
Wir gedenken der Bombenopfer in aller Welt.
Schalom chaverim!



Schalom chaverim

Vergiss die Qual,vergiss die Not,
Schalom chaverim!
Liebe ist größer als der Tod,
Schalom chaverot!

Versöhnung ruft der Glocken Mund,
Schalom chaverim!
Heut machen wir es allen kund,
Schalom! Schalom!

Gertrud Everding

 


Nachwort 2004

Die Hoffnung
Mai 1945


Wir sind sechzehn.
Auf dem Weg in die Berufsschule.
Sie allein ist stehen geblieben
- irgendwo in Barmbek -
inmitten von rauchschwarzen Trümmern.
Fröhlich winkend brausen sie an uns vorbei,
die GI's in ihren Jeeps:
"Hello, Fraulein!"
- irgendwo am Berliner Tor -
inmitten von leblosem Gestein.

Jutta kam aus Schlesien
Sie schenkt mir eine Brötchenmarke:
50 g Weizenmehl!
Sie wohnt jetzt
- irgendwo auf St. Pauli -
inmitten von stinkenden Trümmern.
Wir sind siebzehn,
wir wollen tanzen!
Musik! Glenn Miller!
Benny Goodman! Teddy Stauffer!
- Irgendwo in Rahlstedt -
Wir wollen leben
inmitten von schuttgrauen Trümmern?
Wir wollen leben!


Komm mit, Jutta!
Wir wollen suchen und finden,
was noch übrig blieb
- irgendwo in Hammerbrook -
unter schwelenden Trümmern.
Und wir finden und stehen und staunen,
wir lachen und weinen vor Glück:
Schachtelhalm und Huflattich!
Schön ist das Leben
inmitten von fruchtbaren Trümmern
- irgendwo in Borgfelde -

Und am Himmel die Lerchen,
sie feiern den Frühling
- irgendwo in Sankt Georg -
hoch über der trauernden Stadt.
Wir sind achtzehn.
Ich such' meine Kindheit:
kein Stein auf dem andern,
keine Straßen, kein Weg,
keine Menschen, kein Tier!
Sind begraben unter glutheißen Trümmern!
- Gibt's ein Nirgendwo hier in Hamburg? -

Da irgendwo am Straßenrand
blüht ein Kirschbaum,
taufrisch in Rosa und Weiß.
Schau, Jutta, Hamburg ist nicht tot!
Ist nur verschwunden.
Komm, lass uns räumen
die Trümmer von Wegen und Straßen,
lass uns atmen und träumen
und trinken vom Leben,
- irgendwo hier in Hamburg, an der Alster,
in Hamm, in Wandsbek oder Billstedt -
inmitten von Asche,
von Scherben, von Steinen und Schutt!


Gut sechzig Jahre sind vergangen.
Jutta ist tot, ihr Mann und ihr Sohn.
Und wo ist die Hoffnung geblieben?
kann man heut' nicht überleben
ohne Cola und Therapeut?
Den Schutt auf der Seele -
hat der Mensch nicht gelernt
sich selbst aufzuräumen
für ein Leben ohne Zerstörung?
Aus Trümmern wachsen Halme
und Hoffnung zugleich, doch
wo sind die Trümmer geblieben?
Und welche wären heut' wegzuräumen,
damit die Hoffhung wieder wachsen kann?


Text und Bild: Elfi Bock/Literadies
AK St. Georg, Nov. 2004


 

   

"Erdenengel"

Der 60. Gedenktag an den Feuersturm
in Hamburg hat Folgen.


Statue von Edith Breckwoldt "Erdenengel"

Homepage der Künstlerin:
http://www.gefuehlte-formen.de/kontakt.html




Hier ist unser Versuch, dieses neue Erleben
vor dem Mahnmal darzustellen:

"Erdenengel" vor der Ruine von St. Nikolai

 


 

 

Eines unserer Gruppenmitglieder, die Autorin und inzwischen stark sehbehinderte Malerin Elfi Bock, verweilt seit über einem Jahr immer wieder bewundernd vor dem Mahnmal Nicolaikirche, sinnt und malt.

Dabei ist sie besonders angerührt worden von der großartigen Bronzestatue "Erdenengel" von Edith Breckwoldt, mit der Inschrift: "Nimm meine Hand und ich führe dich zu dir zurück".

Ebenso auch von jener Skulptur mit beeindruckender meditativer Ausstrahlung "Friedensgebet" von Edith Breckwoldt.

Elfi Bock erzählte uns begeistert davon.
Wir, die Leute von der Autorengruppe "Literadies" in Hamburg, gingen hin und staunten, waren jedoch verwundert, dass es keine Fotos dieser Statuen im Internet gibt.

Elfi Bock hat sie für unsere Gruppe fotografiert, und wir möchten die Bilder nun sehr gern im Internet auch anderen Menschen zeigen, damit sie sich daran erfreuen können, vielleicht sogar selbst nach Hamburg zur St.Nikolai-Kirche kommen.

 





Wir gehören zum Teil noch zu der Generation, die den "Feuersturm" mit seinen Schrecken, selbst erlebt und erlitten hat.

 




Frau Breckwoldt gebührt unser Dank und unsere Bewunderung. Sie hat etwas Hervorragendes
geschaffen.

 


 

 

 

Edith Breckwoldt
die Hamburger Bildhauerin
und Schöpferin
der Statuen "Erdenengel",
"Friedensgebet"
und vieler anderer Kunstwerke.

"Friedensgebet"
Statue von Edith Breckwoldt

     
     

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