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Herbst

Herbstlicher Dialog - Gedichte
noch mehr Herbst . . .


 

Wohldorfer Mühlenteich bei Hamburg

Wohldorfer Mühlenteich bei Hamburg für M.
Foto Gertrud Everding/Literadies


Erleben in Lappland

Auszug aus einem Reisebericht
von Brunhild Kollars



herbstgedanken

grüngold leuchten
hoch aufragende buchen

wolken düster
rotgerandet
felder leer klagend
schwarze krume
duftend nach tod
dunklem schoß
ewigem schweigen
wie lange
nachtigallen fliehen
südwärts
laubraschelnde schritte
wind wolken
wunderweise
schmerz
abschied
ich lebe

Gertrud Everding ©

. . .Eine unvergessliche Wanderung auf den Gipfel des Muotkatunterie. Das steinige Hochplateau war erreicht, alle Mühsal vergessen. Überwältigend der Blick in unendliche Ferne, die Fremdartigkeit der Landschaft dünkte erhabener als alles bisher Geschaute, ließ uns still und klein werden. In dieser Einsamkeit, in diesem Einssein mit der Schöpfung war jeder eine Weile ganz bei sich. Mir war, als wäre die Zeit stehen geblieben.. . . . .

. . .Eine Wanderung durch Sumpf und Moor: Im hellen Sonnenlicht überraschte eine vielfältige Flora. Ein farbig gesprenkelter Teppich aus fein verästeltem Strauchwerk und Moosen, der bizarre Schlangenarm des Bärlapp, das schlichte Filigran der Rentierflechte entzückte uns und ließ durch den süßherben Duft, der über allem schwebte, die Sinne eine wunderbare Erfahrung machen von einem Odeur, das ich noch nie auf Erden wahrgenommen.. Plötzlich lachten uns Multbeeren, Lakkoja in leuchtendem Gelb an; wir hatten sie gefunden, die köstlichste aller Beeren.. . . . . .

. . .Ruska-Zeit, Indian-Summer! Nach einigen Nachtfrösten Anfang September ist plötzlich die Pflanzenwelt in ein Meer von Farben getaucht. Bäume, Sträucher, Büsche, Bodendecker strahlen im frühlingshaften Gelb aller Nuancen bis zu grellen Orangetönen. Purpurnes Weinrot bis zum dunkelsten Bordeaux verzaubern und blenden, äußerlich und innerlich. Die Fülle überwältigender Bilder leuchtet in einer Farbenvielfalt, mit einer Intensität die ans Herz greift. Alle Schönheit, der die Natur fähig ist, verschwendet sie, ehe tiefer Schnee und eisiger Frost alles erstarren lässt.

Brunhild Kollars ©




 



neue Ernte . . .

 

 . . . .  und wird in den Alleen hin und her, unruhig wandern, wenn die Blätter treiben. -   (Rilke)

Vergänglichkeit

Breite Lichtstrahlen,
einfallend in kahle Kronen
der Bäume;
Herbstsonne - wie Goldstaub -
auf buntem Laub, weich und warm.

Blätter, lautlos zur Erde fallend, -
rot, gelb, braun.
Beeren, dunkelblau, saftig und rot,
im Grün des Unterholzes.

Süßer Duft reifer Trauben, feine Netze,
zart gesponnen zwischen Zweigen!
Geruch nach Laub - Erde - Moder -
Vergänglichkeit-

Nebel steigt auf;
das Netz ist zerrissen,
der Zauber verschwunden -
Rauhreif am Boden - mich friert -

Gertrud Pforr

Endlich am Ziel von Gertrud Everding

Am Morgen hatte er noch nichts davon gewußt und nun war er plötzlich reich. Sein Traum hatte sich erfüllt. Gleich morgen früh würde er beim Makler anrufen, um den Bungalow in der Blumenstraße zu kaufen.
Eine Million! Wenn jemand ihm gesagt hätte, daß er einmal so vermögend sein würde, hätte er ihn ausgelacht. Seine Elke war ihm vor Freude weinend um den Hals gefallen, als er es ihr mitteilte. Genug hatte sie ja entbehrt, wenn er in der letzten Zeit Tag und Nacht verbissen an seiner neuen Planung saß und sie wieder ohne ihn einschlafen mußte.


Aber die Arbeit hatte sich gelohnt. Letzte Woche hatte er die neue Erfindung beim Patentamt angemeldet. Dann war alles ganz schnell gegangen. Eine große Firma interessierte sich für seine neue Idee, und sie ließ es sich etwas kosten. Ein überwältigendes Gefühl von Glück durchströmte ihn. Noch einmal zogen die Stunden dieses Tages an ihm vorbei wie eine riesige, rosarote Wolke.
Der Generaldirektor der Gesellschaft für futuristische Automobilplanung hatte ihn am Vormittag in sein Büro bestellt und ihm eröffnet, daß die Firma ihm sein Patent, das sicher bahnbrechend für die moderne Automobilindustrie sein würde, abkaufen wolle. Besonders die neue Baureihe des Minicabrios "Euro-Blitz" würde dadurch wohl zum absoluten Lieblingsauto der Nation werden.
Was bedeutete es da, daß er auf seine Urheberrechte an dieser großartigen Entdeckung verzichten mußte, sein Name nie genannt werden würde! Er hatte ohnehin nicht genug Geld gehabt, sein Patent in der Praxis anzuwenden.
Ihm war es wichtig, dass er, der seit Jahren arbeitslose Ingenieur, endlich ein sorgenfreies Leben führen konnte. Nie mehr rechnen müssen, wenn es darum ging, daß er einen neuen Fernseher, eine neue Waschmaschine brauchte oder gar eine Ferienreise plante! Nun wollte er mit Elke das Leben in vollen Zügen genießen.

Er betrachtete die neben ihm Schlafende mit liebevollem Blick. Endlich würde er ihr jetzt etwas bieten können. Mal für ein paar Wochen zusammen nach Hawai reisen, das wäre was!
Nie mehr wollte er ihnen begegnen, den ewig nörgelnden Sachbearbeitern beim Arbeitsamt, die ihm immer wieder allen Mut genommen hatten.
Schon ab morgen würde er auch noch Leiter der Entwicklungsabteilung in seiner neuen Firma sein, wie es der Generaldirektor zugesagt hatte. Er würde es den ewigen Stänkerern schon zeigen, die ihm nichts mehr zutrauten, nur noch ein mitleidiges Lächeln für ihn hatten, wenn er seine Meinung zu einer Situation äußerte.
Wohlig räkelte er sich in den Kissen des leise knarrenden Doppelbettes und genoß die Stunde vor dem Einschlafen wie etwas sehr Kostbares. Zärtlich strich er über das blonde Haar seiner Frau, die im Schlaf lächelte. Wie schön sie war!

Da spürte er ihn wieder, den leisen, ziehenden Schmerz in der Brust. Fast begrüßte er ihn wie einen alten Freund, der ihm sein brüchiges Menschendasein deutlich machte und ihn daran erinnerte, daß auch er nicht grenzenlos belastbar sei. Wenn er nur keine Sorgen mehr haben mußte, dann wäre er sicher bald wieder fit. Elke hatte ihn oft gebeten, zum Arzt zu gehen, aber er hatte nur lachend abgewinkt.
"Was soll mir als altem Sportler schon fehlen? Sieh mich an! Ich bin vierzig Jahre alt und strotze vor Gesundheit!" hatte er ihr auf ihre Bedenken geantwortet.
Merkwürdig, die alte Wanduhr, ein Erbstück von seinen Eltern tickte plötzlich so laut! Oder war es sein Herz? Tick - tick - tick,- - tick tick --- tick - Das war wohl die Freude. Natürlich war es die Freude! -
Im Raum war es totenstill. Es schien, als sei das schwache Licht der Nachtschranklampe noch dunkler geworden. War die Glühbirne nicht in Ordnung? Gleich morgen würde er eine neue in die Nachtschranklampe drehen.

Tick tick tick - - tick, ein Schatten löste sich aus der Ecke hinter dem Kleiderschrank und waberte näher an sein Bett. Klose bemerkte, daß er zitterte.
"Keine Angst", sprach er sich Mut zu, "du bist doch kein Kind mehr. Es gibt keine Gespenster."
Der Schweiß brach ihm aus allen Poren - der Schatten - der Schatten - was war das? Wie aus leeren Augenhöhlen grinste es auf ihn herab. Der Schmerz in der Brust wurde stärker.
"Geh weg, geh",- röchelte er. Der Schatten beugte sich zu ihm, um ihn mit unheimlicher Gewalt zu umschlingen. "Hast du auch an mich gedacht?" wisperte es aus dem Nirgendwo zu ihm herunter.
"Nein, nein, nicht jetzt, - - so geh doch", stöhnte der Mann wieder.
Er röchelte: "Ich will - - - leben - - leben" -

Am nächsten Morgen wunderte sich der Generaldirektor gerade, daß Klose nicht an seinem neuen Arbeitsplatz erschienen war, als seine Sekretärin eintrat.
"Was ist denn, Frau Fischer?" fauchte er die junge Frau ungeduldig an.
"Herr Gerster, unser Neuer, der Herr Klose kommt nicht mehr. Er ist heute nacht an einem Herzinfarkt verstorben. Seine Frau hat eben angerufen."
"Unverschämtheit!" schimpfte Gerster wutentbrannt. "Wie kommt er dazu? Was erlaubt sich dieser Herr? Das darf doch wohl nicht wahr sein?" Er stockte.
Seine Stirn lief rot an wie ein Weihnachtsapfel. Dann nach einer Pause: "Gestorben sagen Sie? - Gestorben?" Er lockerte seine Krawatte, als ob er an dieser Nachricht ersticken würde.
Die Sekretärin schwieg betreten, so daß es dem Allgewaltigen klar wurde, wie taktlos er eben gerade reagiert hatte. Er räusperte sich verlegen.
"Das ist wirklich erschütternd. Ein so fähiger, junger Mann. Ich werde heute noch das Entsprechende veranlassen.
Aber im Moment haben wir leider keine Zeit dafür."

Er sprach mit gespielter Anteilnahme und zwirbelte dabei seinen grauen Schnurrbart, was er eigentlich nur tat, wenn er verärgert war. Dann wurde er wieder dienstlich.
"Schicken Sie Herrn Frick sofort zu mir! Wir müssen das Projekt jetzt eben auf andere Weise anpacken. Sagen Sie, es eilt. Die Abschlüsse müssen heute noch raus."
Wieder allein im Zimmer ging er nachdenklich ans Fenster, sah hinaus und murmelte kopfschüttelnd: "Nun hat einer mal so richtig Glück - und was tut er? - Er stirbt."




 


Früher Herbst

Kurzgeschichte von H.-W. Ecker

Sie stand am geöffneten Fenster und sah hinaus in den sinkenden Tag. Die feuchtkalte Luft, von den Gerüchen der Vergänglichkeit durchwirkt, strich kühlend über ihr heißes Gesicht mit den tränennassen Augen. Die Frau hatte die Arme um den Oberkörper gelegt, als wollte sie sich in sich selbst zurückziehen. Sie fröstelte; doch fast trotzig suchte sie den kalten Atem dieser herbstlichen Stunde. Ihr Blick, unverwandt in eine unbestimmte Ferne gerichtet, sah hinweg über den Garten vor dem Hause, wo die weißen, gelben und roten Sterne der Dahlien an den gilbenden Stengeln hingen, sah nicht, wie die gelben und braunen Blätter, von irgendwoher kommend, durch die Lüfte schaukelten, sich wiegend herabsanken und sich sanft und lautlos niederlegten.

Ihr erschöpfter Geist nahm nicht wahr, wie aus dem rostfleckigen Grün der Kastanienbäume dann und wann die stacheligen Früchte dumpf auf den Boden schlugen und zerspringend ihre rotbraunen glänzenden Kugeln in das feuchte Gras entließen; bemerkte nicht, wie aus dem Röhricht des Schilfgürtels am nahen Teich ein Entenpaar aufflog und pfeilenden Fluges im dämmrigen Grau des Himmels verschwand; bemerkte nicht den Raben, der krächzend und mit schwerem Flügelschlage rudernd sich im Dunste zwischen den Bäumen verlor. Das Dunkel ihrer Verzweiflung hatte sich auf die Welt vor ihr gebreitet. Im Zimmer hinter ihr verschwammen die Konturen mehr und mehr, schwanden in den wachsenden Schatten der Nacht. Längst wäre es an der Zeit gewesen, das Licht einzuschalten, aber sie hatte es unterlassen, wollte nicht, dass das elektrische Licht das Tuch des barmherzigen Dunkels über den Dingen zerriss.
Noch immer konnte sie es nicht fassen. Wie, wie nur konnte es sein, dass sich ihre Welt von einer Stunde auf die andere so sehr verändert hatte? Sie waren doch so glücklich gewesen, so bescheiden, einander selbst genug. Wie konnte die alles umfassende Heiterkeit ihrer selbstgenügsamen späten Liebe so plötzlich ausgelöscht sein? Welche Macht missgönnte ihnen das Glück ihrer Zweisamkeit, das nur einen Sommer lang währte? Sie wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen und schloß das Fenster. Sie trat ins Zimmer zurück, setzte sich auf die Couch, das Gesicht in den Händen vergraben, stand wieder auf und entzündete eine Kerze, in deren flackerndem Lichte skurille Schatten die auf-und abgehende Frau durch den Raum begleiteten.

Warum nur war er noch am Spätnachmittage die lange Strecke in die Stadt gefahren, wo er doch den Abend und die Nacht noch hätte bei ihr sein können? Hatte er nicht Stunden zuvor noch ganz aufgeräumt gemeint, er habe für die Verhandlungen am folgenden Nachmittag alles bestens vorbereitet? Was mochte ihn bewogen haben, schon heute gegen Abend aufzubrechen? Sie wusste keine Antworten. Sie hatten sich in der Freude aneinander und miteinander noch einmal geliebt, hatten noch einmal ihr ganzes Empfinden ineinander verströmt, ihre Einsamkeit in der Wärme des vertrauten Miteinanders aufzuheben versucht und waren doch wieder ihrer unentrinnbaren Einsamkeit anheim gefallen. Er hatte ihr noch einen zarten Kuß auf die Stirne gedrückt, hatte ihr noch einmal sanft über die Wangen gestrichen und war wortlos lächelnd gegangen. Und dann, nach Stunden des Wartens auf ein Wort von ihm, die Nachricht von dem tödlichen Verkehrsunfall. Sie rang die Hände, ließ ihren Tränen freien Lauf. Die Welt war so kalt, so leer. Und von überall her traf sie der Widerhall der Frage: ´Warum? Der Sommer war doch so kurz!´

H.-W. Ecker, 20.09.01 ©

 









November

von H.-W. Ecker

 



Foto: Gertrud Everding/Literadies



Verdämmernd welken kurze Tage,
graut der Himmel durchs Geäst;
krächzend, schwer im Flügelschlage
rudern Krähen hin zum Nest.

Aus der Höhe hin und wider
schwebt ein Blatt sanft wie im Tanz,
schaukelt, wiegt sich, sinkt hernieder
und verliert sich schließlich ganz.

Im dunklen See die Wasser ruhn;
ein Entenpaar treibt darauf hin,
als wüsst' es nicht, was jetzt zu tun,
warum es treibt und auch wohin.


Das feuchte Blattwerk auf den Wegen
liegt fest am Boden, dämpft den Schritt,
nicht lässt sich's raschelnd mehr bewegen,
es klebt am Schuh bei jedem Tritt.

Schwere Tropfen aus den Bäumen
platschen rings auf nasse Blätter,
holen dich aus warmen Träumen
ernüchternd ins Novemberwetter.

Geh heim, der Park ist naß und kühl!
Du fröstelst, öffne deine Tür!
Du spürst es, hast es im Gefühl,
November ist es - auch in dir.



"Licht im Wind"
Wachsbild von Elfi Bock/Literadies


Trübe Tage


Der Herbst verglimmt im Regengrau,
Der Himmel spinnt sich ein.
Hab Sehnsucht nach dem Himmelsblau
Und Sommersonnenschein.

Grau ist der Tag, der Regen rinnt,
Am Fenster steht ein kleines Kind,
Drückt sich die Nase platt am Glas,
Die Straße ist so leer und nass.

Der Sturm heult auf, treibt vor sich her
Düst're Wolken voll und schwer.
Nicht lang, dann wird es Winter sein,
Mein Herz ist mir wie Felsgestein.

Nein, das Herbstgrau schreckt mich nicht,
Die Finsternis will ich bekriegen.
Ins Fenster stelle ich ein Licht,
Denn nur das Licht wird siegen.


Gertrud Everding


Herbst 2 nach oben

 
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