| . . .Eine 
        unvergessliche Wanderung auf den Gipfel des Muotkatunterie. Das steinige 
        Hochplateau war erreicht, alle Mühsal vergessen. Überwältigend der Blick 
        in unendliche Ferne, die Fremdartigkeit der Landschaft dünkte erhabener 
        als alles bisher Geschaute, ließ uns still und klein werden. In dieser 
        Einsamkeit, in diesem Einssein mit der Schöpfung war jeder eine Weile 
        ganz bei sich. Mir war, als wäre die Zeit stehen geblieben.. . . . .  . . .Eine 
        Wanderung durch Sumpf und Moor: Im hellen Sonnenlicht überraschte eine 
        vielfältige Flora. Ein farbig gesprenkelter Teppich aus fein verästeltem 
        Strauchwerk und Moosen, der bizarre Schlangenarm des Bärlapp, das schlichte 
        Filigran der Rentierflechte entzückte uns und ließ durch den süßherben 
        Duft, der über allem schwebte, die Sinne eine wunderbare Erfahrung machen 
        von einem Odeur, das ich noch nie auf Erden wahrgenommen.. Plötzlich lachten 
        uns Multbeeren, Lakkoja in leuchtendem Gelb an; wir hatten sie gefunden, 
        die köstlichste aller Beeren.. . . . . .  . . .Ruska-Zeit, 
        Indian-Summer! Nach einigen Nachtfrösten Anfang September ist plötzlich 
        die Pflanzenwelt in ein Meer von Farben getaucht. Bäume, Sträucher, Büsche, 
        Bodendecker strahlen im frühlingshaften Gelb aller Nuancen bis zu grellen 
        Orangetönen. Purpurnes Weinrot bis zum dunkelsten Bordeaux verzaubern 
        und blenden, äußerlich und innerlich. Die Fülle überwältigender Bilder 
        leuchtet in einer Farbenvielfalt, mit einer Intensität die ans Herz greift. 
        Alle Schönheit, der die Natur fähig ist, verschwendet sie, ehe tiefer 
        Schnee und eisiger Frost alles erstarren lässt. 
 Brunhild Kollars ©
 
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 | Vergänglichkeit 
          Breite 
        Lichtstrahlen, einfallend in kahle Kronen 
        der Bäume;
 Herbstsonne - wie Goldstaub -
 auf buntem Laub, weich und warm.
 
  
        Blätter, lautlos zur Erde fallend, - rot, gelb, braun.
 Beeren, dunkelblau, saftig und rot,
 im Grün des Unterholzes.
  
        Süßer Duft reifer Trauben, feine Netze,zart gesponnen zwischen Zweigen!
 Geruch nach Laub - Erde - Moder -
 Vergänglichkeit-
 
 Nebel steigt auf;
 das Netz ist zerrissen,
 der Zauber verschwunden -
 Rauhreif am Boden - mich friert -
 
 Gertrud Pforr
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    | Endlich 
        am Ziel von 
        Gertrud Everding   Am 
        Morgen hatte er noch nichts davon gewußt und nun war er plötzlich 
        reich. Sein Traum hatte sich erfüllt. Gleich morgen früh würde 
        er beim Makler anrufen, um den Bungalow in der Blumenstraße zu kaufen. Eine Million! Wenn jemand ihm gesagt hätte, daß er einmal so 
        vermögend sein würde, hätte er ihn ausgelacht. Seine Elke 
        war ihm vor Freude weinend um den Hals gefallen, als er es ihr mitteilte. 
        Genug hatte sie ja entbehrt, wenn er in der letzten Zeit Tag und Nacht 
        verbissen an seiner neuen Planung saß und sie wieder ohne ihn einschlafen 
        mußte.
 Aber die Arbeit hatte sich gelohnt. Letzte Woche hatte er die neue Erfindung 
        beim Patentamt angemeldet. Dann war alles ganz schnell gegangen. Eine 
        große Firma interessierte sich für seine neue Idee, und sie 
        ließ es sich etwas kosten. Ein überwältigendes Gefühl 
        von Glück durchströmte ihn. Noch einmal zogen die Stunden dieses 
        Tages an ihm vorbei wie eine riesige, rosarote Wolke. Der 
        Generaldirektor der Gesellschaft für futuristische Automobilplanung 
        hatte ihn am Vormittag in sein Büro bestellt und ihm eröffnet, 
        daß die Firma ihm sein Patent, das sicher bahnbrechend für 
        die moderne Automobilindustrie sein würde, abkaufen wolle. Besonders 
        die neue Baureihe des Minicabrios "Euro-Blitz" würde dadurch 
        wohl zum absoluten Lieblingsauto der Nation werden.
 Was 
        bedeutete es da, daß er auf seine Urheberrechte an dieser großartigen 
        Entdeckung verzichten mußte, sein Name nie genannt werden würde! 
        Er hatte ohnehin nicht genug Geld gehabt, sein Patent in der Praxis anzuwenden.
 Ihm war es wichtig, dass er, der seit Jahren arbeitslose Ingenieur, endlich 
        ein sorgenfreies Leben führen konnte. Nie mehr rechnen müssen, 
        wenn es darum ging, daß er einen neuen Fernseher, eine neue Waschmaschine 
        brauchte oder gar eine Ferienreise plante! Nun wollte er mit Elke das 
        Leben in vollen Zügen genießen.
 
 Er betrachtete die neben ihm Schlafende mit liebevollem Blick. Endlich 
        würde er ihr jetzt etwas bieten können. Mal für ein paar 
        Wochen zusammen nach Hawai reisen, das wäre was!
 Nie mehr wollte er ihnen begegnen, den ewig nörgelnden Sachbearbeitern 
        beim Arbeitsamt, die ihm immer wieder allen Mut genommen hatten.
 Schon ab morgen würde er auch noch Leiter der Entwicklungsabteilung 
        in seiner neuen Firma sein, wie es der Generaldirektor zugesagt hatte. 
        Er würde es den ewigen Stänkerern schon zeigen, die ihm nichts 
        mehr zutrauten, nur noch ein mitleidiges Lächeln für ihn hatten, 
        wenn er seine Meinung zu einer Situation äußerte.
 Wohlig 
        räkelte er sich in den Kissen des leise knarrenden Doppelbettes und 
        genoß die Stunde vor dem Einschlafen wie etwas sehr Kostbares. Zärtlich 
        strich er über das blonde Haar seiner Frau, die im Schlaf lächelte. 
        Wie schön sie war!
 
 Da spürte er ihn wieder, den leisen, ziehenden Schmerz in der Brust. 
        Fast begrüßte er ihn wie einen alten Freund, der ihm sein brüchiges 
        Menschendasein deutlich machte und ihn daran erinnerte, daß auch 
        er nicht grenzenlos belastbar sei. Wenn er nur keine Sorgen mehr haben 
        mußte, dann wäre er sicher bald wieder fit. Elke hatte ihn 
        oft gebeten, zum Arzt zu gehen, aber er hatte nur lachend abgewinkt.
  "Was soll mir als altem Sportler schon fehlen? Sieh mich an! Ich 
        bin vierzig Jahre alt und strotze vor Gesundheit!" hatte er ihr auf 
        ihre Bedenken geantwortet.
 Merkwürdig, die alte Wanduhr, ein Erbstück von seinen Eltern 
        tickte plötzlich so laut! Oder war es sein Herz? Tick - tick - tick,- 
        - tick tick --- tick - Das war wohl die Freude. Natürlich war es 
        die Freude! -
 Im Raum war es totenstill. Es schien, als sei das schwache Licht der Nachtschranklampe 
        noch dunkler geworden. War die Glühbirne nicht in Ordnung? Gleich 
        morgen würde er eine neue in die Nachtschranklampe drehen.
 Tick tick 
        tick - - tick, ein Schatten löste sich aus der Ecke hinter dem Kleiderschrank 
        und waberte näher an sein Bett. Klose bemerkte, daß er zitterte."Keine Angst", sprach er sich Mut zu, "du bist doch kein 
        Kind mehr. Es gibt keine Gespenster."
 Der Schweiß brach ihm aus allen Poren - der Schatten - der Schatten 
        - was war das? Wie aus leeren Augenhöhlen grinste es auf ihn herab. 
        Der Schmerz in der Brust wurde stärker.
 "Geh weg, geh",- röchelte er. Der Schatten beugte sich 
        zu ihm, um ihn mit unheimlicher Gewalt zu umschlingen. "Hast du auch 
        an mich gedacht?" wisperte es aus dem Nirgendwo zu ihm herunter.
 "Nein, nein, nicht jetzt, - - so geh doch", stöhnte der 
        Mann wieder.
 Er röchelte: "Ich will - - - leben - - leben" -
 
 Am 
        nächsten Morgen wunderte sich der Generaldirektor gerade, daß 
        Klose nicht an seinem neuen Arbeitsplatz erschienen war, als seine Sekretärin 
        eintrat.
 "Was ist denn, Frau Fischer?" fauchte er die junge Frau ungeduldig 
        an.
 "Herr Gerster, unser Neuer, der Herr Klose kommt nicht mehr. Er ist 
        heute nacht an einem Herzinfarkt verstorben. Seine Frau hat eben angerufen."
 "Unverschämtheit!" schimpfte Gerster wutentbrannt. "Wie 
        kommt er dazu? Was erlaubt sich dieser Herr? Das darf doch wohl nicht 
        wahr sein?" Er stockte.
  Seine 
        Stirn lief rot an wie ein Weihnachtsapfel. Dann nach einer Pause: "Gestorben 
        sagen Sie? - Gestorben?" Er lockerte seine Krawatte, als ob er an 
        dieser Nachricht ersticken würde.
 Die Sekretärin schwieg betreten, so daß es dem Allgewaltigen 
        klar wurde, wie taktlos er eben gerade reagiert hatte. Er räusperte 
        sich verlegen.
 "Das ist wirklich erschütternd. Ein so fähiger, junger 
        Mann. Ich werde heute noch das Entsprechende veranlassen.Aber 
        im Moment haben wir leider keine Zeit dafür."
  Er sprach 
        mit gespielter Anteilnahme und zwirbelte dabei seinen grauen Schnurrbart, 
        was er eigentlich nur tat, wenn er verärgert war. Dann wurde er wieder 
        dienstlich. "Schicken Sie Herrn Frick sofort zu mir! Wir müssen das Projekt 
        jetzt eben auf andere Weise anpacken. Sagen Sie, es eilt. Die Abschlüsse 
        müssen heute noch raus."
 Wieder allein im Zimmer ging er nachdenklich ans Fenster, sah hinaus und 
        murmelte kopfschüttelnd: "Nun hat einer mal so richtig Glück 
        - und was tut er? - Er stirbt."
 | 
   
    | Früher 
        Herbst
 Kurzgeschichte 
        von H.-W. Ecker   Sie 
        stand am geöffneten Fenster und sah hinaus in den sinkenden Tag. Die feuchtkalte 
        Luft, von den Gerüchen der Vergänglichkeit durchwirkt, strich kühlend 
        über ihr heißes Gesicht mit den tränennassen Augen. Die Frau hatte die 
        Arme um den Oberkörper gelegt, als wollte sie sich in sich selbst zurückziehen. 
        Sie fröstelte; doch fast trotzig suchte sie den kalten Atem dieser herbstlichen 
        Stunde. Ihr Blick, unverwandt in eine unbestimmte Ferne gerichtet, sah 
        hinweg über den Garten vor dem Hause, wo die weißen, gelben und roten 
        Sterne der Dahlien an den gilbenden Stengeln hingen, sah nicht, wie die 
        gelben und braunen Blätter, von irgendwoher kommend, durch die Lüfte schaukelten, 
        sich wiegend herabsanken und sich sanft und lautlos niederlegten. 
  Ihr erschöpfter 
        Geist nahm nicht wahr, wie aus dem rostfleckigen Grün der Kastanienbäume 
        dann und wann die stacheligen Früchte dumpf auf den Boden schlugen und 
        zerspringend ihre rotbraunen glänzenden Kugeln in das feuchte Gras entließen; 
        bemerkte nicht, wie aus dem Röhricht des Schilfgürtels am nahen Teich 
        ein Entenpaar aufflog und pfeilenden Fluges im dämmrigen Grau des Himmels 
        verschwand; bemerkte nicht den Raben, der krächzend und mit schwerem Flügelschlage 
        rudernd sich im Dunste zwischen den Bäumen verlor. Das Dunkel ihrer Verzweiflung 
        hatte sich auf die Welt vor ihr gebreitet. Im Zimmer hinter ihr verschwammen 
        die Konturen mehr und mehr, schwanden in den wachsenden Schatten der Nacht. 
        Längst wäre es an der Zeit gewesen, das Licht einzuschalten, aber sie 
        hatte es unterlassen, wollte nicht, dass das elektrische Licht das Tuch 
        des barmherzigen Dunkels über den Dingen zerriss.Noch immer konnte sie es nicht fassen. Wie, wie nur konnte es sein, dass 
        sich ihre Welt von einer Stunde auf die andere so sehr verändert hatte? 
        Sie waren doch so glücklich gewesen, so bescheiden, einander selbst genug. 
        Wie konnte die alles umfassende Heiterkeit ihrer selbstgenügsamen späten 
        Liebe so plötzlich ausgelöscht sein? Welche Macht missgönnte ihnen das 
        Glück ihrer Zweisamkeit, das nur einen Sommer lang währte? Sie wischte 
        sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen und schloß das Fenster. 
        Sie trat ins Zimmer zurück, setzte sich auf die Couch, das Gesicht in 
        den Händen vergraben, stand wieder auf und entzündete eine Kerze, in deren 
        flackerndem Lichte skurille Schatten die auf-und abgehende
  Frau 
        durch den Raum begleiteten. 
 Warum nur war er noch am Spätnachmittage die lange Strecke in die Stadt 
        gefahren, wo er doch den Abend und die Nacht noch hätte bei ihr sein können? 
        Hatte er nicht Stunden zuvor noch ganz aufgeräumt gemeint, er habe für 
        die Verhandlungen am folgenden Nachmittag alles bestens vorbereitet? Was 
        mochte ihn bewogen haben, schon heute gegen Abend aufzubrechen? Sie wusste 
        keine Antworten. Sie hatten sich in der Freude aneinander und miteinander 
        noch einmal geliebt, hatten noch einmal ihr ganzes Empfinden ineinander 
        verströmt, ihre Einsamkeit in der Wärme des vertrauten Miteinanders aufzuheben 
        versucht und waren doch wieder ihrer unentrinnbaren Einsamkeit anheim 
        gefallen. Er hatte ihr noch einen zarten Kuß auf die Stirne gedrückt, 
        hatte ihr noch einmal sanft über die Wangen gestrichen und war wortlos 
        lächelnd gegangen. Und dann, nach Stunden des Wartens auf ein Wort von 
        ihm, die Nachricht von dem tödlichen Verkehrsunfall. Sie rang die Hände, 
        ließ ihren Tränen freien Lauf. Die Welt war so kalt, so leer. Und von 
        überall her traf sie der Widerhall der Frage: ´Warum? Der Sommer war doch 
        so kurz!´
 
 H.-W. Ecker, 20.09.01 ©
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