"Guten
Tag! Verzeihen Sie die Störung! Ist hier noch frei?"
Der Angesprochene schaut von seiner Lektüre auf:"Guten Tag!"
Er weist mit der Linken auf die freien Plätze: "Gewiß,
nehmen Sie doch Platz!"
"Ich danke Ihnen."
Jeder Zeitgenosse, dem Höflichkeit und gute Manieren noch Begriffe
sind, wird bemerkt haben, daß es sich bei den beiden Partnern dieses
kurzen Dialoges um ältere Herrschaften handeln müsse. Und in
der Tat, die beiden Herren, die einander hier an der Parkbank zum ersten
Male begegnet sind, gehören offenbar zu jener aussterbenden Art der
Gattung Mensch, die noch weiß, was sich gehört, noch eine Vorstellung
davon hat, was gutes Benehmen bedeutet.
So mancher junge Mensch hätte sich im gegebenen Falle einfach wortlos
hingesetzt, vielleicht gar auf die Rückenlehne, die Füße
auf der Sitzfläche und hätte die Szene samt Dialog entweder
verständnislos zur Kenntnis genommen oder möglicherweise mit
Witz und Ironie etwa so kommentiert:"Was sind das denn für Bankgeheimnisse?
Wozu all der Schnickschnack von 'Verzeihung', 'Störung' und 'ist
hier noch frei?', wo doch jeder sehen kann, daß noch genug Platz
ist?"
Ja, wozu wohl? Die beiden älteren Herren hätten es sicher sehr
bemerkenswert gefunden, wenn ein solcher Zweifler am Sinn der Szene und
des Dialoges ihnen wirklich und ernsthaft diese Fragen gestellt hätte.
Aber leider bleibt das in der Regel Wunschdenken der älteren Generation.
Dabei müßte doch jedem ernstzunehmenden und ein wenig nachdenkenden
Zeitgenossen klar sein, daß die Frage an sich aus dem Staunen und
der Neugier erwächst und Schlüssel ist für die Erkenntnis
und das Verständis der Welt und des Menschen in ihr. Und
wenn ihm das klar sein sollte, warum ist dann der Bereich des Umgangs
der Menschen miteinander für die Zeitgenossen weniger fragwürdig,
des Fragens würdig, als der des eigenen Wohllebens und des technischen
Fortschritts?
Nicht
nur in diesen Bereichen, sondern auch in dem des menschlichen Miteinanders
ist die Frage in der Konsequenz auch Voraussetzung für Verhaltensänderungen,
also für Lernprozesse, und dieser bedarf es gerade auf dem weiten
Felde der zwischenmenschlichen Beziehungen und hier im besonderen der
zwischen den Generationen heute mehr denn je.Selbst
wenn man unserer Massengesellschaft nichts Schlechtes nachsagen will,
so wird man doch zugestehen müssen, daß Höflichkeit und
gutes Benehmen nicht die Regel sind.
Daß höflich sich von hovelich herleitet und hofgemäß,
fein, gebildet und gesittet bedeutet, wissen die Zeitgenossen
im allgemeinen nicht, was nicht auszuschließen braucht, daß
Höflichkeit noch eine praktizierte Tugend sein könnte, wenn
das dieser Tugend zugrundeliegende Menschenbild prinzipiell noch lebendig
wäre und akzeptiert würde, selbstverständlich ohne die
alten Zöpfe vergangener Jahrhunderte von der Ritterzeit, über
die weltzugewandte Renaissance, über das sinnenfrohe, im Grunde aber
doch bange Barock, das verspielte Rokoko bis hin zum Großbürgertum
der Industriegesellschaft und ihren Treibhausblüten , den Neureichen.
Aber
nur allzu leicht wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Und der
Zweifel, gar die Negation von Traditionen und ihrer Wertvorstellungen
ist ein Indiz unter anderen für die Orientierungslosigkeit unserer
Zeit.
Was offenbart nun die scheinbar belanglose Dialogszene an der Parkbank?
Wahrlich keine großen Geheimnisse, höchstens kleine, aber solche
mit beträchtlicher Wirkung.
Da ist zunächst der Gruß 'Guten Tag!' Er besagt noch wenig.
Er könnte formelhaft sein wie so vieles in unseren Tagen; betrachtet
man ihn aber im Kontext, also mit dem Folgenden, so gewinnt er im nachhinein
mehr Eigengewicht, als er, isoliert gesehen, hätte.
Sodann die Bitte 'Verzeihen Sie die Störung!' Der Sprechende respektiert
mit dieser Aussage den Freiraum des Angesprochenen und dessen Recht auf
störungsfreies Tun; er achtet also den anderen in seinem Eigensein.
Und weil er ihn mit seiner Frage unvermeidlich beim Lesen stört;
bittet er ihn um Verzeihung. Das alles bedeutet letztlich, der Hinzugekommene
achtet den Eigenwert und die Eigenrechte des anderen, also seine Würde.
Wenn er darüber hinaus das Offenkundige für frag-würdig
hält, indem er - auf die leeren Plätze schauend - fragt 'Ist
hier noch frei?' so heißt das nichts anderes als 'Ich möchte
Sie mit meiner Gegenwart unmittelbar neben Ihnen nicht behelligen, obwohl
die Bank als öffentliche Einrichtung mich - wie jeden anderen auch
- dazu berechtigt, mich hier hinzusetzen.
Wenn Sie jedoch lieber allein bleiben möchten, so wäre ich auch
bereit, auf mein Recht zu verzichten und mir einen anderen Platz zu suchen.
'
Der Hinzugekommene weiß also, daß verbürgte Gleichberechtigung
nicht notwendig bedeutet, auf dieses Recht zu pochen und es unnachsichtig
einzufordern, vielmehr auch darauf verweist, gegebenenfalls in praktischer
Toleranz das eigene Recht aus Höflichkeit, sprich Rücksichtnahme,
hintanzustellen.
Die Reaktion des Angesprochenen, also des Lesenden auf der Bank, zeugt
von den gleichen Grundeinstellungen wie beim Hinzugekommenen. Der erwiderte
Gruß wird auch hier im Kontext aus der scheinbaren Formelhaftigkeit
herausgehoben und zum bewußten Gruß.
Das Aufschauen ebenso wie die einladende Geste und die Bestätigung
'Gewiß' sowie die Aufforderung 'Nehmen Sie doch Platz!' weisen darauf
hin, daß der Angesprochene den anderen als gleichberechtigt anerkennt
und ihn als Nachbarn auf der Bank nicht nur duldet, sondern ausdrücklich
respektiert. Das bedeutet schließlich auch, er achtet die Würde
des anderen ebenso wie dessen Rechte, ganz im Sinne der Artikel 1, 2 und
3 der Grundrechte in unserer Verfassung, wo es heißt:
Artikel l(1) "Die Würde des Menschen ist unantastbar..."
Artikel 2(1) "Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,
soweit er die Rechte anderer nicht verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige
Ordnung oder das Sittengesetz verstößt..."
Artikel 3(1) "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich..."
Die verfassungsmäßig garantierten Rechte sind von jedermann
einklagbar und gewährleisten eine weitgehend funktionierende Gesellschaft;
die Höflichkeit hingegen ist eine freiwillige moralische Verpflichtung
des einzelnen Menschen, sie erleichtert das Leben der Zeitgenossen untereinander
und gewährleistet eine einigermaßen menschenwürdige Gesellschaft.
Klein ist der Aufwand, aber beachtlich die Wirkung. Ohne Erziehung des
Menschen ist allerdings dieser geringe Aufwand schon zu viel.
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Meine
Freiheit - deine Freiheit
von Ernst Broers
Alltagsgeschichten
"Die
Freiheit des Einen hört dort auf, wo die Freiheit eines Anderen beginnt."
Wer kennt diesen Satz nicht? Er ist in aller Munde. Aber was nützt
das? Der Weg bis zum Verstand ist offenbar bei manchen Menschen lang und
schwierig. Da muss man schon etwas nachhelfen.
Da war zum Beispiel eine Camping-Nachbarin, die aus Australien bei ihren
Eltern zu Besuch war. Sie wollte Camping in Europa erleben. Ihr
Radio dröhnte so laut , dass es uns in unserem Wohnwagen störte.
Ich sagte es ihr.
"Ich bin ein freier Mensch, ich kann tun, was mir gefällt!"
war ihre Meinung.
Lächelnd entgegnete ich: "Oh, es freut mich, dass Sie so großzügig
denken. Dann darf ich ja auch
meinem Hobby frönen. Ich schieße nämlich gern. Am liebsten
auf bewegliche Ziele.
Ich hoffe, dass Sie sich nicht all zu sehr quälen müssen."
Ich hatte meine Rede noch nicht beendet, da war die Musik schon leise.
Warum
eigentlich? Ich hatte doch gar keine Schusswaffe bei mir, ich besaß
ja nicht einmal eine.
Aber manchmal genügen solche kleinen "Umwege", um die Nachbarn
zum rücksichtsvollenVerhalten zu veranlassen. Auch
so kann man notfalls zurückschießen!
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Die Sammelwut ist eine Wut,
an der der Wütende sich weidet.
Die
Wut tut ihm besonders gut,
wenn man Gesammeltes ihm neidet.
Ansichtssache
Kein
Job, nicht sesshaft, "Armer Hund",
das schilt sich Strolch und Vagabund.
Doch
reist und faulenzt man, dank Geld,
ist Lebenskünstler man und Held.
Reiseresümee
Ich
reiste querbeet durch die Welt,
es kostete mich Nerven, Geld,
Hotels vermeinten, ich sei reich,
hart war'n die Eier, Brötchen weich,
die Autobahnen zugestaut,
zwei Koffer wurden mir geklaut,
man klemmte in so mancher Stadt
mir Knöllchen unters Wischerblatt,
beim Crash an Frankreichs Cote d'Azur
verlor ich eine Autotür,
das Wetter war nur selten toll,
mein Schmuggelgut behielt der Zoll,
und aus der Ferne heimgekehrt,
war mir die Heimat doppelt wert.
Robert
Mahler ©
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Wünsche
von Helga Frohwann
Die
Himmelsbewohner schauten lächelnd, schmunzelnd oder laut lachend
auf die Erde. Auslöser dieser Heiterkeit war ein kleines Erdenkind.
Es half jedem Lebewesen in Not, sammelte sogar die verhassten Nacktschnecken
und brachte sie an einen sicheren Ort.
Darum hatte das Feenreich ihm einen Wunsch geschenkt, der Wirklichkeit
werden sollte und der Auslöser der Heiterkeit im Himmel war.
Das Erdenkind war direkt vor seiner Gartentür in einen riesigen Hundeschitthaufen
getreten, und hatte voller Abscheu gerufen: "Igittigitt! Alle Leute,
die etwas wegwerfen, wo es nicht hingehört, sollen es zu Hause auf
ihrem Lieblingsplatz wieder finden!"
Und klick, die Welt war in Aufruhr.
Zeitungen schrieben seitenlange Berichte über dieses Phänomen.
Unzählige Hundebesitzer beschimpften ihre Hunde, weil sie die Haufen
auf ihrem guten Teppich, vor dem Fernseher, oder sogar in ihrem Bett fanden.
In der nagelneuen Küche standen mit einem Mal der alte Kühlschrank
und die Waschmaschine, die kürzlich mühevoll im Wald entsorgt
wurden.
Der Firmenboss fand in seinem Garten den Sondermüll, den er in der
Natur vergraben hatte.
Es passierten unglaubliche Geschichten, die die Bewohner des Himmels zum
Lachen brachten.
Petrus kratzte sich nachdenklich hinterm Ohr. Schade, dass diese Aktion
nur 24 Stunden dauern sollte. Vielleicht wäre die Idee mit dem Bumerang-Effekt
ein Mittel, um die völlig aus den Fugen geratene Welt wieder auf
Vordermann zu bringen. Ein Messer, das kurz vor seinem Ziel kehrt macht
und den Angreifer selbst verletzt, eine Bombe, die anstatt am Ziel, am
Ausgangspunkt explodiert, ein schlechter Wunsch, der sich beim Absender
selbst erfüllt
Er wird die Idee einmal in der nächsten Versammlung besprechen.
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