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für Leser mit Humor . . .Bunte Welt 2

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Schlitzohriges
von Christa Renken:



Der Reiz

Mit Schmerzen fühlt
man sich so arm.
Es reizen Magen,
Blase, Darm.
Wenn dies organisch
nicht begründet,
Den Grund man in
der Psyche findet.
Deswegen weiß man
auch bereits:
Es hat so manches
seinen Reiz.

Ch. Renken ©

Foto: Gertrud Everding/Literadies

 

Wortwahl

Die rechte Wortwahl ist 'ne Pein.
Soll's schmeißen oder werfen sein?
Schmeißen sagt man alle Tage,
Doch werfen heißt es ohneFrage.
Die Schmeißfliege, was logisch dann,
heißt somit Werffliege fortan.


Ch.Renken ©


I
nspiration

Die Kreativität kommt dann ins Wanken
wenn es fehlt an den Gedanken.
Man hat, das ist der große Frust,
zum Schreiben weder Lieb noch Lust.

Papier und Stift, sie sind parat,
nun starrt man auf das leere Blatt.
Man versetzt sich in Hypnose
und meistert trotzdem nicht die Chose.

Das Blatt bleibt weiß und unbefleckt.
Inspiration wird nicht geweckt.
Man kann dabei nichts Bess'res tun
und lässt die Arbeit einfach ruhn.

Im Denken etwas eingeschränkt,
man trotzdem nur noch daran denkt,
dass das Schreiben wird geschafft
und sei's mit allerletzter Kraft.


Plötzlich erscheint der Geistesblitz.
Es wird ernst und ist kein Witz.
Man setzt sich hin und schreibt und schreibt,
bis kein Wort mehr übrig bleibt.

Zum guten Abschluss bleibt jetzt nur
Die allerletzte Korrektur.
Gemeistert ist die Situation.
Man hat sie doch, die Inspiration.

Christa Renken


Elke mit 4 Jahren
von Christa Renken

Elke konnte das "sch" nicht aussprechen und benutzte stattdessen das "ß". was sich sehr drollig anhörte. An einem Nachmittag stand sie mit ihrem Vati vor dem Haus. Beide schauten in den fast wolkenlosen Himmel. Plötzlich hatte Elke am Himmel etwas entdeckt. Aufgeregt rief sie ihrem Vati zu "Sieh mal Vati, der Düsenjäger hat eine Laufmasse". Vati erklärte seinem Töchterchen, daß es nicht "Laufmasche", sondern "Kondensstreifen" heißt. Einige Zeit später kehrte die Familie in eine Raststätte ein. Neugierig lief Elke vorweg. Vor ihr ging eine Dame mit Laufmaschen in den Strümpfen. Elke drehte sich zu ihrer Mutti um und rief mit lauter, kaum zu überhörender Stimme: "Sieh mal Mutti, die Tante hat aber viele Kondensstreifen!"

 

Das Zimmer von Edgar Brinkmann


    Sie sagen, die Diktatur werde nur selten den Raum benutzen, man müsse sich darin
    einrichten, denn wenn sie tage, tage sie überraschend.
— Wie denn sich einrichten? Soll man vielleicht in dem Zimmer wohnen? Wenn man das wollte,
    wäre man, wenn die Diktatur es betritt, gleich selbst der Überraschte.
— Natürlich nicht so. Nicht wohnen wie man in einem Zimmer wohnt. Das ist ja lachhaft.
— Sondern?
— Indem man sich hinter der Türe einrichtet. Die geht nach innen auf, und sie stößt an die
    Längswand, so dass wir ein geschlossenes Dreieck haben. Da wirst du wohnen.

— Also ich?! Und wenn die Diktatur die Tür schließt?
— Das wird sie nicht.
— Gerade Diktaturen schließen Türen!
— Unsere Erfahrung sagt, diese nicht.
— Und warum nicht?
— Sie hat es nicht nötig. Natürlich können wir nicht alles voraussehen...
— Was ist das? Ist das schon die Diktatur?
— Du hörst doch, das ist Orgelmusik.
— Sie kommt aus dem Gang?
— Nein, aus den Lautsprechern hier im Zimmer.
— Also kommt sie jetzt, die Diktatur! Ah, die Orgel hört auf...
— Aber du zitterst ja!
— Nein, ich zittere nicht. Nur zwitschert der Vogel vor dem Fenster so laut.
— Also du zitterst! Noch dazu vor einem Vogel ...

     

 

Ich und mein Handy von Charlotte Brozzo


Ich bin ja gar nicht gegen den technischen Fortschritt, sonst hätte ich weder eine Waschmaschine, noch einen Staubsauger, etc. Ich habe natürlich auch ein Telefon, sogar mit einem Anrufbeantworter, mit dem ich auch umgehen kann.Nachdem mir selbst meine Enkel ihre Handynummern gaben mit dem Bemerken, ich könne sie auch vom Festnetz (ich weiß was das ist!) aus anrufen, reifte in meinem Kopf der Gedanke, dass ein Handy vielleicht keine schlechte Anschaffung sei. Bei mir ist allerdings der Weg von der Idee zur Tat recht lang. Eine Verpflichtung für zwei Jahrewollte ich nicht gern eingehen, so fragte ich meinen Sohn nach einer anderen Möglichkeit. Ja, es gibt Kartenhandys, wurde mir beschieden, das wäre etwa so wie Kartentelefon.

Ich hätte einen bestimmten Betrag zur Verfügung und wenn der verbraucht (vertelefoniert) ist, könnte ich mir eine neue Karte zu verschiedenen Beträgen kaufen.
Auch meine Tochter riet mir zu "Du bist viel unterwegs und bei einem Unfall oder auch nur einem Sturz, kannst Du Hilfe herbeiholen." Ein weiteres Argument überzeugte mich noch mehr: "Wenn Ihr auf Föhr in irgendeinem ... um seid, es regnet und kein Bus fährt mehr, kannst Du schnell ein Taxi herbeirufen!" Das war's.

An einem der nächsten Tage ging ich zu dem neuen, großen Handyladen am Mühlenkamp Ecke Pölchaukamp. Ein freundlicher junger Mann fragte nach meinem Begehr, und ich erklärte ihm, was ich wollte. Vor allem wollte ich wissen, was ein Handy koste.
"Für 129 Euro bekommen Sie schon ein recht gutes Gerät!"beschied er mich. Im Geiste überschlug ich meine Barschaft. Nein, in diesem Monat hatte ich nicht so viel übrig, denn übrig musste ich es haben. So dringlich war mir das Handy nicht. Einige Zeit später hatte ich das Geld 'übrig' und ging in den kleinen Handyladen, ein paar Schritte weiter am Mühlenkamp. Auch hier bediente mich ein freundlicher, gut aussehender junger Mann. (Das scheint in diesen Läden üblich zu sein) Hier gab es Handys zu 49 Euro, von Vodafone und Siemens.
Für mich war die Frage, welches einfacher zu bedienen ist.
"Beide sind gleich gut und einfach in der Bedienung", sagte er und nach einem geistigen Münzwurf entschied ich mich für Vodafone.

Der junge Mann stellte einen mittelgroßen Karton auf den Tisch, holte ein Formular hervor und fragte mich nach Nam' und Art, d.h. nach meinem Ausweis. Meine Fingerabdrücke brauchte er nicht. Er schrieb eifrig.
"Sie haben aber eine einfache Nummer" sagte er "0133/6699766( vom Web-master geändert). Diese Nummer sollten Sie sich gut merken."
Nach einigen Fehlversuchen habe ich sie jetzt intus!
Ich unterschrieb noch etwas (keinen Vertrag) und ging mit meinem Päckchen nach Hause.Dort packte ich aus und verteilte alles übersichtlich auf dem Küchentisch. In einer schönen bunten Blechbüchse, ähnlich einer Keksdose, fand ich die Gebrauchsanweisung.

Zunächst musste der Akku aufgeladen werden. Das konnte ich gleich. Es dauerte ca. 1 1/2 Stunden. Dann Einschalten. Auch das ging gut, aber das Handy wollte meine Pin-Nummer wissen. Welche? woher? Doch wohl nicht meine Pin-Nummer von der Scheckkarte? Was nun? Aber es gab und gibt ja Gudrun, eine sehr liebe Nachbarin. Ich wusste, dass sie ein Handy hat.
Nach meinem Hilfeanruf kam sie mit ihrem Gerät gleich zu mir. Sie sah sich alles an. Dann machte sie mich auf einen Brief der Firma aufmerksam. Darin stand ganz deutlich, dass ich am Fußende rubbeln müsse, dann erscheine meine Pin-Nummer. Tat sie auch! Oh, war ich froh. Sie ist vierstellig und wirklich ganz leicht zu merken. Hier schreibe ich sie aber nicht auf, denn sie ist eines meiner GEHEIMNISSE.
Zum Glück hatte Gudrun Ferien , sie ist Lehrerin, und so konnte sie mir doch einiges erklären.
Als mein Enkel Adrian einmal bei mir war und sich das gute Stück ansah, meinte er, das sei ja ein einfaches, fast primitives Gerät. Nun dazu sage ich lieber nichts. Für mich ist es kompliziert genug, aber wir werden uns schon noch aneinander gewöhnen.
Ich und mein HANDY!

Das Gespenst von Gertrud Everding

 

Vom Turm der alten Kapelle schlug die Glocke zwölf. - Geisterstunde.-
Ein dünner scheppernder Klang, als ob ein Blechteller zu Boden gefallen wäre.
"Mist, diese Finsternis!" Gustl, der junge Tunichtgut, stellte den Sack mit den Silberleuchtern ab und bückte sich. Mit fahrigen Bewegungen schob er auch den schweren Silberkelch in den Sack, den er mit Heu ausgepolstert hatte. Voll war er bis obenhin und ließ sich nicht mehr richtig schließen, aber das war nicht wichtig. Jetzt wollte der Taugenichts erst mal nach Haus. Die Beute würde er gleich im Holzschuppen verstecken.
Pst, war da nicht was? Der junge Mann stutzte. Ein scharrendes Geräusch außen an der Kirchentür. War das etwa der Küster? Was wollte er mitten in der Nacht hier? Er spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. Nichts wie weg. Er schulterte den Sack, rannte zur Sakristei und erreichte die hintere kleine Pforte, die nicht verschlossen war. Draußen blickte er erst einmal vorsichtig um sich. "Kein Mond und kein Stern, was für ein Glück!" murmelte er.

Niemand war zu sehen. Sich ängstlich umblickend lief er über den Kirchhof. Hinten am Ende war die Mauer zerbrochen, dort konnte er sicher unbemerkt entkommen.
Wie gejagt, lief er an den Gräbern entlang. Funkelten da vorn am Grabstein nicht zwei glühende Augen? Ach, das war wohl eine Katze oder ein Marder. Oder gab es vielleicht doch wandernde Geister? Es fror ihn trotz der Schwüle.
Er hatte es sich leichter vorgestellt, in der alten Kapelle zu stehlen. Wäre bloß seine Taschenlampe nicht gleich auf den Steinen zerschellt. So war er in dieser dunklen Nacht nur auf seine guten Ortskenntnisse als ehemaliger Messdiener angewiesen. Alles hatte er gefunden, was ihm wichtig schien. Die wertvollen Leuchter würden in der Stadt einen guten Batzen Geld bringen. Am Horizont wetterleuchtete es. Ein Gewitter schien im Anzug. Das konnte für Gustl nur nützlich sein. Die erste Sturmbö erfasste die Baumkronen, dass sie rauschten. Sand peitschte sein Gesicht. Die ersten großen Tropfen fielen. Gleich würde er an der Mauer sein.
Da - ein schauerliches Stöhnen, wie in dem Horrorfilm, den es letzte Woche im Fernsehengegeben hatte. Als er in die Richtung blickte, aus der das grässliche Geräusch kam, stand da ein riesiges weißes, waberndes Etwas.
Langsam kam es auf ihn zu. Was konnte das sein? Es scharrte vernehmlich mit den Füßen.

Gustl packte das Grauen und er ging schneller, aber das weiße Etwas folgte ihm und kam näher und näher. Die Leuchter und die Abendmahlsgeräte schnitten trotz der Heupolsterung in seine Schultern. Sie schienen immer schwerer und kantiger zu werden.
Da, jetzt hatte das Wesen ihn fast eingeholt. Es keuchte laut und zerrte beharrlich an dem Sack. Bloß nicht nach hinten sehen. Gustl zog die schwarze Pudelmütze mit den Sehschlitzen über die Augen und nahm mit einer Hand die Leuchtpistole, die er vorsichtshalber zwecks Einschüchterung mitgenommen hatte, aus der Hosentasche. Darauf schien der Verfolger gewartet zu haben. Blitzschnell und mit gewaltiger Kraft entriß er dem Dieb den Sack, der scheppernd zu Boden fiel.
Gustl war sich ziemlich sicher. Das Gespenst konnte nur sein vor zwei Jahren verstorbener Großvater sein. Es stellte sich sofort mit seinem massigen Körper über den Sack und brummte bedrohlich. "Ja, so knurrte Großvater, wenn er ärgerlich war", dachte Gustl. Er musste ihn irgendwie abwehren.
In blinder Angst hob er die Waffe: "Hände hoch oder ich schieße", keuchte er. Das Gespenst schien keineswegs beeindruckt. Es grunzte nur verächtlich.
"Na ja, schließlich ist Großvater schon länger tot", und Erschießen wäre sowieso Schwachsinn", dachte Gustl und versuchte den Sack wieder an sich zu bringen.
Aber damit war es nichts. Der Geist verteidigte seine Beute. Er stieß und schubste den Dieb immer wieder, bis er auf dem schlammigen Boden lag und nicht mehr wagte, aufzustehen. Das Ungeheuer stand drohend über ihm.
"Bitte Großvater, tu mir nichts! Ich bringe alles wieder zurück in die Kapelle. Ich verspreche dir, ich werde ein anständiger Mensch!" Gustl zitterte. Um ihn herum entlud sich das Gewitter. - Ein greller Blitz und fast im gleichen Moment ein gewaltiger Donnerschlag.
Der Geist trat grollend zurück, so dass Gustl aufstehen konnte. Kleinlaut und mit Schlamm besudelt nahm er den Sack und brachte die Geräte zurück in die Kapelle.
Das Gespenst wartete vor der Tür, bis Gustl wieder heraus kam. Noch lange blickte es ihm nach, bis der junge Mann im strömenden Regen an der Wegbiegung verschwunden war.

Unter großen Anstrengungen gelang es dem riesigen Ochsen endlich, das extra große weiße Doppelbettlaken abzustreifen, in das er sich beim Grasen im Nachbargarten mit seinen Hörnern verfangen hatte.
Er brummte noch ein wenig ärgerlich und fing dann an, genüsslich das Heu aus dem Sack zu verspeisen, den Gustl in seinem Schrecken liegengelassen hatte.

 

 

Haut


Nach einem Liedtext von Hermann Stern

Kommt's dir zuweilen in den Sinn
mal aus der Haut zu fahren,
dann bleib um Himmelswillen drin;
üb' dich im Ruhbewahren!

Schau Dir die Haut doch einmal an,
eh du daraus entschwindest.
Glaubst allen Ernstes du daran,
dass du was Bess'res findest?

Du hast die Kindheit drin verbracht,
die Reife drin genossen.
Sie ist für dich nach Maß gemacht
und sitzt wie angegossen.

Robert Mahler

 
  Der Graureiher

Ich sah auf der Bahnfahrt bei Fischweier
auf der Wiese am Bach einen Fischreiher.
Er verharrte im Gras, als ob er ruhte,
allein der Kleinbahn schrille Tute
schreckt ihn auf zu voller Höhe,
als plagte ihn ein Sack voll Flöhe.
Was der Reiher dann noch tat?
Ich weiß es nicht- leider;
ich finde das ja auch sehr schad';
indes die Kleinbahn fuhr halt weiter.

H.-W. Ecker


Probleme
Erzählung von Edgar Brinkmann

 

Ich saß im Bus und sah aus dem Fenster.
Da erblickte ich eine ehemalige Kollegin, die ich einst sehr gemocht hatte.
Auch jetzt, wie sie mit Kopftuch, schmal und wie verlassen im Regen an der Haltestelle stand, da war, was ich an ihr so geschätzt hatte, gleich wieder präsent. Sie war unter den Kollegen und Kolleginnen diejenige gewesen, mit der ich nahezu über alles hatte reden können, die zuhörte, die alles verstand, die mit ihrer sanften, etwas männlich tremolierenden Stimme Probleme sachlich kommentierte und beurteilte, der Solidarität kein Fremdwort war.
Sie stieg hinter meinem Rücken ein. Ich hatte den Eindruck: sie sah mich nicht. Ich wollte auch nicht gesehen werden. Zwar hätte ich gern erfahren, wie es ihr ging, aber ich hatte ein Problem, über das ich sann.
Also blickte ich nach draußen. Jedoch ahnte ich mehr, als dass ich's sah, dass sie sich auf der anderen Seite in dieselbe Reihe gesetzt hatte.
Nun hatte es aber kaum noch Sinn, über mein Problem nachzudenken,
wurde ich doch daran gehindert durch das dauernde Gefühl, von ihr angesehen zu werden - nicht minder auch durch mein stetes eigenes Verlangen, zu ihr hinüberzublicken.
Fast war ich versucht, es darauf ankommen zu lassen; sollten sich unsere Blicke treffen, so würde ich den Überraschten spielen; es dürfte mir nicht schwerfallen; ich würde die Augen aufreißen, die Brauen hochziehen, und das nötige Lächeln käme überhaupt von ganz allein. Doch blickte ich nur feige aus den Augenwinkeln. Sie saß ja gleich neben dem Gang, hatte mich wahrscheinlich immer noch nicht gesehen, denn sie las in einem Buch.

So leistete ich es mir, öfter und weniger versteckt hinüber zu sehen. Freilich musste ich bald den Bus verlassen.Natürlich, es würde, wenn ich aufstand, spätestens wenn ich an ihr vorbeiging, zu dem Blickkontakt kommen, was folgenlos geschehen würde, denn ich stieg ja aus, das sah doch jeder. Also stand ich auf - doch sie las.
Ich ging vorbei - und sie las. Doch schien mir, während ich dicht an ihr vorüberging, ja sie fast berührte, dass sie, indem sie scheinbar weiterlas, unter den Lidern hervorblinzelte.
Um mich zu vergewissern, hätte ich in die Knie gehen und sie in gebückter Haltung ansehen müssen.
Ich tat es nicht und verließ mit dieser Ungewissheit den Bus.
Die flüchtige Begegnung mit der ehemaligen Kollegin wurde zum Problem. Noch als ich die Büroräume betrat, beschäftigte es mich.
Erst als ich alle Konzentration auf meine Arbeit lenkte, vergaß ich es. Abends, wieder im Bus, meldete es sich erneut.
Es störte mich mehr als ich wahrhaben wollte. Denn vor allem beunruhigte mich,
dass mir über diesem Problem mein eigentliches abhanden gekommen war.

 

Satire von Claus Günther:
"Die Wasseruhr geht verkehrt!"

 

Neulich morgens, ich sitz nachn Frühstücken inne Küche und bin graade so schön an Lesen...
"Kardel-Heinz!"
Rietsch! seggt dat - großen Riss inne Sseitung, so hab ich mir verschrocken.
"Kardel-Heinz!", ruft Eerna gleich noch mal ausm Badessimmer. Na, denk ich, nu issie wohl mitte Kloschüssel zusammgebrochen. Eerna ischa 'n büschen kompleet, verstehstu? Ich also as'n geölten Blitz hin nach ihr - da steht sie gebückt vore Wasseruhr, die wir grade neu gekricht hatten.

"Die Uhr geht verkehrt!", sacht Eerna. "Das mussu bein Hauswirt melden. Oder nee, ruf man gleich beie Wasserwerke an."
Ich vesteh erst mal gaa nix. Ich seh bloß ihren dicken Achtersteven. Aber den hat Eerna denn - slawumm! - beiseite gehievt und mir das gezeicht:
"Kuck ma, Kardel-Heinz. Wenn ich hier aufe Spülung drück - siehstu: so - denn geht da ja das Wasser wech, mit Pipi und alles, nich? Denn läuft die Uhr und zählt den Verbrauch, nich? Und wenn die Spülung aufgehört hat, denn plätschert von oben frisches Wasser nach."
"Klar", sach ich. "Der Wasserkasten muss ja wieder voll werden."
"Jou!" Eerna hat schon richtich Triumph in ihre Stimme. "Denn läuft die Uhr auch weiter, nich? Aber wenn ich nu hinternach wieder muss - "
Ich sach: "Hassu Dünnpfiff, oder was?"
"Kardel! Das is doch bloß theheretisch! Also wenn ich denn das nechste Mal muss - oder du, ischa egal - denn zählt das wieder aufe Uhr. Aber das Wasser, was sie denn verbraucht, das hat sie doch vorher schon den Kasten mit voll gemacht und hat das auch angezeicht aufe Uhr! Das is ja denn doppelt! Also geht die Uhr vekehrt, Kardel-Heinz. Du muss unbedingt 'ne neue besorgen! Kuck ma, die annere Wasseruhr inne Küche, nich? Da issas nich so. Wenn ich da Wasser ausen vollen Kocher nehm, für wenn ich Kaffe aufbrühen tu, denn läuft die Wasseruhr übehaupt nich, und das is auch gut so!"

Manno, ich sach dir, du! Mit Logik kannz da nix machen. Ich hab Eerna das sogar aufgemardelt! Aber nee, da wollte sie rein gaa nix von kapiern. Und denn hat sie da selber angerufen.
Erst beie Wasserwerke - der da anne Strippe war, der liecht nu mit kaputte Nerven in Krankenhaus,- und denn bei unsern Hauswirt. Das is 'n alter Mann. Der hat hinterher geweint, so fertich war der.
Nu mussu aber nich denken, dass Eerna dumm is oder so, nee nee! Das war allens bloß Taktik! Hätte ich mir einklich gleich denken könn. Wie sie nemmlich bei kein ein vonnie Leute was geworden is mit ihre Reklamatschon, da krichte sie die Wasser-Spareritis - aber wie! Hochgradich!
"Kardel-Heinz! Wieso mussu dir denn ümma nass rasiern? Bloß weil das modern is? Du hassoch noch den alten Trockenrasierer in Keller! Und warum wissu dir schon wieder die Hände waschen? Hassu doch gestern erst! Kannz lieber mal das Kaffegeschirr abspülen, da wern deine Foten von alleine bei sauber. Aber gieß das Wasser denn nich wech - da will ich noch deine Socken in ausspülen!"
Ich sach: "Eerna", sach ich, "du nervst mir mit dein Wasser!"

Mann, war ich sauer! Das war aber erst der Anfang. Wie ich inne Nacht mal hoch musste, hör ich mit mal: Bong! Plopp! Bong-bong Plopp-bong-plopp! Ich mach Licht an - da rollen lauter leere Plastikflaschen vor meine Füße rum! Und denn war Eerna auch wach und gleich am Schümpfen: Warum ich die Flaschen umgekippt hab, ob ich denn nich kucken kann?
"Nee", sach ich. "War ja vorher dunkel, nich? Und ich kenn den Weech ins Bad im Schlaf und bin hier noch nie im Leben über Leergut gestolpert! Wo kommt das überhaupt her?"
"Von Aldi!", sacht sie spitz. "Du und ich, wir ham das ausgetrunken. Und ich hab die Selterflaschen über Nacht aufen Kopp gestellt, weil da noch was ssu Trinken ssusammenloift und weil wir dadurch Wasser sparen. Aber du mit deine Käsemauken krisst alles kaputt!"
Ich soll mir nich so anstellen, hat sie noch gesacht. Dass ich mir da fast 'n Genickbruch über gestolpert hätte, hat Eerna einfach wechgewüscht mit ihrn schlechten Gewissen.
Wie das nu an nechsten Tach anfing ssu reechnen, sollte ich Pötte und Eimers auf'n Balkon stellen. Ich sach: "Du büscha woll mall!", sach ich. "Wossu soll das denn gut sein?"
"Für ssun Wasser auffangen, Mensch! Will ich mit kochen!"
"Eerna! Bissu noch ssu retten? Hassu noch nie was von sauern Regen gehört?"
"'türlich", sacht sie. "Graade! Ich koch doch heute saure Suppe!"

Kommz nich gegen an. Wie denn aber die Abrechnung im Briefkasten laach, vonne Wasserwerke, da hab ich allerdings gesehn, was wir gespart hatten inne Zwüschensseit,
und da hatte Eerna mich denn auf ihre Seite. Ich mein', dassas Wassersparen mit Vorteile veknöpft war, auch für unsereins pesönlich, das hatte ich sowieso schon gemerkt. Auf Eerna ihrn ausdrücklichen Wunsch hab ich nemmlich meine Unterhosen acht Tage durchgetragen,
wie früher, inne Junggesellensseit, und gewaschen haben wir uns sowieso nur noch montags und freitags. Wenn das mal 'n büschen strenge gerochen hat - kein Problem: Wossu gibtas Parföngs, nich?
Na, und auch sonz ham wir uns denn vetragen. Wenn inne Elbe Hochwasser angesacht war, sind wir mit Eimers losgezogen und ham da geschöpft, anne Landungsbrücken.Natürlich ssu Fuß, weil das Benssin so toier is. Einmal, wie wir ssu Hause angelangt war`n, hatten wir sogar 'n Fisch mit im Eimer, da hatten wir nich nur Wasser auf Vorrat, sonnern auch gleich was ssu essen! Kannz ma sehn, wie sauber das Wasser inzwüschen inne Elbe is.

Übrigenz: Auf Klo gehen gehen wir praktisch gaa nich mehr - jenfallz nich ssu Hause. Wir ham ja das Finanzamt bei uns inne Nähe, und da is 'ne Kantine bei. Und 'ne Tolledde! Sehr sauber alles, kannz von Fußboden essen! Wenn wir nachts mal müssen, ssu Hause mein' ich, denn halten wir das an. Alles Trehning, sach ich dir! Dafür morgns, wenn das Finanzamt aufmacht, denn sind wir da immer die Ersten. Na, und am Wochende gehn wir ja oft inne Natur. Gehtalles, wenn man nur will!
Bloß einmal, einmal hab ich Eerna 'n Korb gegeben. Da hat das nemmlich bei uns gebrannt, gleich ummer Ecke rum, bei Krause. Da war die gansse Foierwehr da, mit Tatütata und alles. Na, und Eerna gleich:
"Los, Kardel-Heinz, schnell schnell, wir nehmen unsere Eimers mit!"
"Wat?", sach ich. "Beim Löschen helfen? Nee, Moppelchen, das is ssu gefährlich!"
"Helfen?" frächt sie und tippt sich anne Stirn. "Helfen? So'n Quatsch! Denk doch mal 'n büschen nach, Kardel-Heinz. Das gansse schöne Löschwasser - was da alles vorbeifällt! Wär' doch jammerschade um. Brauchst bloß in Strahl reinhalten den Eimer, und das Wasser auffangen - schwupp! - is er voll."
Nee. Nich mit unsereins. Ich mein', 'n büschen Pijeteht gehört da ja auch mit ssu, wenn einer abbrennt. Grade aufe Nachbarschaft!

 


Eine seltsame Reservierung von Martin Ripp


Obwohl er spät nach Hause gekommen war, gewöhnlich um diese Zeit zu Bett ging und den Computer links liegen ließ, spürte er den Drang, sich noch seinen Posteingang anzusehen.
Es wurden drei E-Mails angezeigt. Zwei davon waren Spams. Diese Internetadressen kannte er bereits, tauchten sporadisch immer wieder bei ihm auf. Das erste Mal hatte er den Fehler gemacht, sie zu öffnen. Der eine bot ein Mittel gegen Prostata-Beschwerden an, der andere hatte ihm obszöne Angebote unterbreitet. Er löschte sie sofort.Die dritte wollte er auch nicht öffnen, da ihm der Absender axl.@ aol.com. unbekannt war.
Aber bei der Betreff-Zeile stutzte er, nahm seinen Finger von der Löschtaste.
Da stand: Nicht löschen! Hallo Bodo! Er tat dem Unbekannten den Gefallen und öffnete die Mail, die um 23,06 Uhr gesendet wurde, gerade eine Minute bevor er ins Netz gegangen war.
Ahnte der Absender etwa, dass er so spät noch seinen Posteingang kontrollierte oder war das Zufall? Die Nachricht begann ohne Anrede, die hatte er ja schon ins ‚Betreff’ gesetzt: ankomme Morgen abend um 20,34 Uhr Gleis 13. Da wir uns nicht persönlich kennen, erwarten Sie mich bitte oben vor der Rolltreppe. Sie sollten eine Zeitung, am besten ‚Die Welt’, in der Hand halten. Ich freue mich auf Sie! Eine geruhsame Nacht wünscht---

Bei diesem Wunsch, der ohne Namensnennung mit drei Bindestrichen endete, kam er ins Grübeln. ‚Geruhsame Nacht’ wirkte da wie Zynismus. Wer konnte dahinter stecken? Jemand, der ihn vertraulich mit dem Vornamen anredete, im Text aber siezte und ein persönliches Kennen ausschloß. Über das Internet schaute er in den Fahrplan der Deutschen Bahn. Hauptbahnhof Hamburg, Ankunft 20,34 Uhr: Ein ICE aus der Schweiz über Stuttgart, Mannheim, Frankfurt usw. mit Zielbahnhof Kiel. Das brachte ihn auch nicht weiter und er beschloß, sich wunschgemäß auf eine geruhsame Nacht vorzubereiten.
Am nächsten Abend stand er punkt halb neun vor der Rolltreppe am Gleis 13. Die vorher am Kiosk gekaufte Zeitung hielt er zusammengerollt wie ein Stafettenstab in der Hand.

Mit zwei Minuten Verspätung fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Da er von mindestens zwanzig Personen umgeben war, Männer, Frauen, Familien mit Kindern, die die Heraufrollenden beäugten, faltete er seine Zeitung auseinander und hielt das Hauptblatt in Brusthöhe wie ein Transparent. Die meisten hasteten mit dicken Reisetaschen oder rollenden Koffern vorbei. Einige junge Leute mit wenig Gepäck ignorierten die Rolltreppe und stürmten sportlich die Treppe hinauf. Einer hielt ihn sogar für einen Händler, wollte ihm die Zeitung abkaufen und war richtig erbost, dass er sie nicht hergab. Neben ihm gab es immer mehr Umarmungen und Freudenschreie, bis es schließlich still wurde und er allein dastand.
Als er enttäuscht die Zeitung sinken ließ, hörte er eine Stimme hinter sich. „Na Bodo, hast du dir die ‚Welt’ angesehen?“ Diese spöttische und doppeldeutige Stimme kannte er. Es war Axel, einer seiner Cousins, der früher in Hamburg gelebt und mit dem er seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Der musste mit seiner Aktentasche an ihm vorbeigeschlichen sein! Bodo gab ihm zögernd die Hand. „Mensch, Axel, hast du das spannend gemacht!
Warum musst du ausgerechnet mich zum Narren machen?“ Axel lachte unbekümmert. „Ich kenne mich in Hamburg nicht mehr aus. Was weiß ich, in welcher Ecke du jetzt wohnst?“
Er machte eine Pause und ergänzte dann lächelnd, aber nicht spöttisch: „Unter anderen Umständen hättest du mich bestimmt nicht vom Bahnhof abgeholt.“ Bodo fand das nicht komisch. „Was willst du von mir? Willst du mich besuchen? Das hättest du dann auch anders ankündigen können!“

„Ich möchte bei dir übernachten!“ kam die klare Antwort.„Ich muß morgen ein Seminar besuchen. Meine Firma ist dabei, drastisch die Kosten zu senken. Sogar an den Reisekosten spart sie jetzt. Für die Übernachtungspauschale bekomme ich in Hamburg kein Zimmer.“
Bodo hatte sich gefasst. „Ich kann dir aber nur meine Couch anbieten.“
Axel nickte. „Das genügt mir. – Sind dreißig Euro okay?“
Jetzt konnte auch Bodo lachen. „Ich lege noch etwas dazu.
Dann werden wir beide erst mal einen drauf machen!“

Angezettelt

von Leo Knorr

Ein Zettel, so er unbeschrieben
dient dem Besitzer nach Belieben.
So kann er sich die Zeit vertreiben
und ein paar Verse darauf schreiben.
Auch kann der Zettel ihm sehr nützen
und sein Gedächtnis unterstützen.
Voausgesetzt, er schreibt darauf,
was er sich merken wollte, auf!
Das wiederum am besten geht,
wenn's wo auf einem Zettel steht,
und er sich aufzuschreiben pflegte,
wo er denn diesen hinterlegte.
Am Ende von der Zettelkette
steht, dass er gern 'nen Zettel hätte.

     
     
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