Schweine
gibt es immer
Erzählung von Gertrud Everding©
Er
hat es lange bestritten, aber nun habe ich Gewißheit. Es gibt nichts mehr
zu beschönigen.
Hardy ist ein Schwein, aber weil die Bezeichnung noch zu viel der Ehre
für diesen Mann wäre, sage ich treffender, er ist ein Ungeheuer.
Vor etwa einem Jahr lernte ich ihn in der Raststätte an der Autobahn kennen,
wo ich Serviererin bin. Hardy war ein sogenannter Kapitän der Landstraße,
der einen mächtigen Truck fuhr. Niemand konnte so witzig Geschichten erzählen
wie er. Gern brachte er damit die Gäste zum Lachen, und nach meiner gescheiterten
Ehe mit Horst, der ein brutaler Alkoholiker gewesen ist, tat mir seine
humorvolle, kameradschaftliche Art gut.
Eines Abends nahm ich ihn mit in meine Wohnung. Fernfahrer haben ihre
vorgeschriebenen Ruhezeiten. Die Polizei versteht da keinen Spaß.
Aber
niemand kann kontrollieren, wie ein Fahrer diese Zeit verbringt. Wir verbrachten
sie zwar im Bett, allerdings nicht um zu schlafen. Es war ein unvergeßliches
Erlebnis. Hardy war wirklich gut. Nie hatte ich so etwas erlebt und ich
war entschlossen, ihn für immer festzuhalten.
Wenn ich nicht Mitglied im Tierschutzverein wäre, hätte ich es vielleicht
gar nicht so schwer genommen, was passiert ist, aber so kann ich diese
schlimmen Sachen einfach nicht tolerieren. Heinz war der erste, der mir
von Hardys dunklen Geschäften erzählte, aber ich glaubte ihm nicht. Er
ist ebenfalls Fernfahrer und wohl auch ein bißchen neidisch auf Hardys
guten Verdienst.
Mein Freund sprach gern davon, was für einen einträglichen Job er habe,
und er stellte das auch gern unter Beweis. Immer war er gut angezogen.
Seine Lederjacke, amerikanische Importware, musste sehr teuer gewesen
sein und er passte höllisch auf, dass sie ihm nicht gestohlen wurde. Ebenso
kostbar schien seine Schweizer Uhr zu sein, deren Vorzüge er jedermann
gefragt oder ungefragt erklärte. Mir schenkte er zum Geburtstag sogar
einen echten Brillantring. Ich freute mich so sehr, dass ich glaubte,
noch nie im Leben so glücklich gewesen zu sein.
Manchmal erwähnte Hardy, dass er das Fahren aufgeben wolle. Er würde dann
mit mir zusammen eine Autobahnraststätte pachten, möglichst an einer Stelle,
wo es oft Staus gibt, da könnte man reich werden, meinte er. So bauten
wir Luftschlösser und die Verwirklichung unserer Pläne schien näher zu
rücken.
Eigenartig war nur, daß er seinen Truck stets etwas abseits von den anderen
abstellte. Manchmal kam er tagelang nicht, weil er, wie er sagte, einen
Eiltransport zu erledigen hatte. Ein anderer Kollege hatte ihn am späten
Abend mal auf einem Parkplatz im Wald gesehen.
Hardy war auf dem Fahrersitz eingeschlafen, und der Mann wollte ihn nicht
stören, aber hinten aus seinem Wagen kamen merkwürdige Geräusche.
Sie klangen wie das Blöken von Schafen, jedoch so verzweifelt und klagend,
daß es fast etwas menschliches an sich hatte.
Ich winkte ab, als er mir davon erzählte. So eine Gemeinheit konnte ich
mir von meinem Freund nicht vorstellen. Dann flüsterten auch andere Fernfahrer
etwas von verbotenen Tiertransporten.
Als ich
Hardy darauf ansprach bestritt er solche miesen Geschäfte empört. Ich
wollte so schreckliches wohl auch nicht von ihm glauben, weil dann alles
zwischen uns kaputt gewesen wäre. Bis vorgestern abend, da zerplatzte
mein schöner Traum. Die Polizei erwischte ihn nahe der polnischen Grenze
mit einem total überfüllten Container fast wahnsinniger Schweine. Er versuchte
gerade eine der armen Kreaturen einzufangen, die sich auf dem Parkplatz
an der Landstraße aus ihrem entsetzlichen Kerker befreien wollten.
Heute morgen war ich bei ihm im Gefängnis. Sein Gesicht war aschgrau,
als er mir von den Transporten erzählte. "Es ist gut, daß es nun ein Ende
hat mit diesem Job," begann er düster "ich träume nachts schon von all
den armen Viechern. Sie klagen mich an mit ihren vielen Wunden, den von
Verzweiflung wilden Augen und den gebrochenen Gliedern. Oft waren sie
fast verdurstet oder totgetreten, wenn ich in Polen ankam, vor allen Dingen
im Sommer.
Aber die Auftraggeber hatten mir verboten, mich um die Tiere zu kümmern.
Ich habe mir nur immer gesagt, wenn du es nicht machst, fährt ein anderer
die Tour. Hab ich nicht recht, Ilse? Und ich habe ja ganz groß verdient
dabei.
Geld stinkt nicht dachte ich, und die Frauen wollen doch alle nur solche
Männer haben, die ihnen etwas bieten können. Du hast mich bestimmt auch
nur genommen, weil ich . . . " Er stockte, denn ich sah ihn entsetzt an.
"Aber die Schreie werden mich nun ein Leben lang verfolgen," fuhr er fort.
"Ich hätte es wissen müssen. Sowas tut niemand ungestraft."
Seine Stimme war leise geworden und klang hoffnungslos. Er saß zusammengesunken
wie ein Häufchen Elend vor mir, und ich wartete darauf, dass sich Mitleid
in mir regen sollte, aber da war nichts, nur Abscheu und eine große Leere.
Ohne mich noch einmal umzusehen, verließ ich das Untersuchungsgefängnis.
In der Raststätte ist heute ungewöhnlich viel Betrieb. Alle reden von
Hardy. Verstohlen blicke ich auf den blitzenden Ring an meiner Hand. Muss
ich den nun auch abgeben? Hinten in der Ecke sitzt ein junger Mann mit
halblangen schwarzen Haaren. Er ist ärmlich gekleidet und beteiligt sich
nicht am Gespräch. Verdrießlich trinkt er seinen Kaffee. Sein Job macht
ihm wahrschein-lich Ärger. Wer weiß, vielleicht ist er der nächste. -
Schweine gibt es immer.
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Foto:
Literadies
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Es ist
Zeit
Du schöne
Welt, noch ist dein Rund
so herrlich artenreich und bunt.
Noch gilt dein Gastrecht, doch wie lang
gewährst noch Schutz du, Speis und Trank?
Schon
ist dein Antlitz dicht bebaut,
dein Atem übel, du bist laut,
und Müll, der dich zuhauf bedeckt,
hat dich vergiftet und verdreckt.
Es ist
der Mensch, an dem du krankst,
dem all dein Elend du verdankst,
und Zeit wird's, dass er innehält.
Er hat
nur diese eine Welt.
Robert
Mahler
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Sturm
an der Küste
Bäume sich neigen und wiegen,
Zweige seufzend sich biegen,
Es kracht, es knirscht, im Geäst.
Der Sturm kommt aus Südwest.
Wellen
toben und schäumen,
Menschen, ihr dürft nicht träumen;
Der Deich, ist er noch fest?
Der Sturm kommt aus Südwest.
Gischtend die Wogen branden,
Schwappen über und stranden
Gibt uns die Flut den Rest?
Der Sturm kommt aus Südwest.
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Wann
wird dies Heulen schweigen?
Wann endlich die Sonne sich zeigen,
Die Hoffnung erblühen lässt? -
Der Sturm bläst aus Südwest.
Da
segeln zwei weiße Flügel,
Dringt ein Schrei über graugrüne Flut.
Schrei, kleine Silbermöwe!
Schrei und alles wird gut.
Texte
und Fotos:
Gertrud
Everding/Literadies
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