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Unsere Kinder, unser Leben!

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Glückliche Augenblicke

Ein euphorischer Schrei - Ma! Ma!
Ein Knuddelfinger schnellt in die Luft - da! da!

Ein süßer Knirps zeigt diese Regung,
Ein Wonneproppen in Bewegung!
Ein Strahlen umhüllt das ganze Kind,
Bewegt die Beinchen so geschwind.

Er hebt die Ärmchen in den Himmel,
Ihn stört nicht mal die Fahrradbimmel.
Er wirft auch keinen Blick zurück.
Sekunden später hängt an meinem Hals - das Glück.



Helga Frohwann

 

     
   
Ende gut - alles gut! von Hanne Kloos

Horaz schlief zusammengerollt in seiner tiefen Baumhöhle. Er schien einen aufregenden Traum zu haben, seine kleinen Pfoten zuckten und ab und zu war ein leises Fiepen zu hören. Doch plötzlich schrak er hoch, der kleine Körper zitterte und Horaz schaute mit den dunklen Knopfaugen zum Eingang seiner Höhle. Was war das für ein Geräusch? Schnuppernd zog er die Luft ein. Nein, es war wohl doch nur eine Nachwirkung des Traumes, alles war ruhig und roch wie immer.
Er streckte und schüttelte sich, putzte sein helles Bauchfell, das noch immer in Falten an ihm hing. Er hatte durch die lange Zeit des Winterschlafes viel Gewicht verloren. Nun verspürte er großen Appetit. Die Sonne war längst untergegangen und leise Nachtgeräusche drangen an seine feinen Ohren. Sein gutes Gehör hatte ihm schon oft das Leben gerettet, wenn er in der Nacht durch die Baumwipfel sauste, um die fetten Falter zu fangen. Die verflixten Eulen waren kaum zu hören, meistens war es dann schon zu spät. -
Vorsichtig machte er sich auf den Weg, um Nahrung zu suchen, unter den Rinden der altenObstbäume fand er genug Raupen und Käfer und in den ausgedehnten Hecken am Feldrand Nüsse und Beeren. Horaz war zufrieden. Nach einem ausgedehnten Streifzug kam er satt wieder zur Höhle zurück.
Als er vor einem Jahr auf diese Obstwiese kam, fand er in einem alten Apfelbaum eine tiefe
Spechthöhle. Nachdem er sie schön weich ausgepolstert hatte, war siezwar etwas eng, aber sehr gemütlich und für ihn allein reichte der Platz aus.

So vergingen die langen Tage im Schlaf und die Nächte bei der Nahrungssuche. Horaz hatte gut an Gewicht zugenommen, sein glatter, graubrauner Fellanzug glänzte, alle Falten waren verschwunden und mit seinem langen, buschigen Schwanz konnte er sich sehen lassen. Mit seinen fünf Jahren war er im besten Siebenschläferalter, doch bisher hatte er hier noch keine Lebensgefährtin gefunden.
Horaz saß im dichten Blätterdach seines Baumes und knabberte an einem der köstlichen Apfel, da sah er auf der Wiese etwas aufblinken.
Im Licht des Mondes konnte er einige Kistenstapel erkennen. Das wollte er sich doch einmal aus der Nähe ansehen. Flink huschte er auf den Boden und über die Wiese, zog sich schnell in die erste Kiste und verschnaufte . . . das hatte geklappt.
Nanu, da lagen ja seine Äpfel nebeneinander und übereinander. Horaz schnupperte aufgeregt an ihnen.
Er knabberte für sich eine Lücke frei und legte sich zwischen die herrlich duftenden Äpfel, er musste auf sie aufpassen. Er deckte sich mit seinem langen Schwanz zu und schloss die Augen, ein kleines Nickerchen konnte ja nicht schaden.
Ein lautes Geräusch weckte ihn, er wurde hin und her gerüttelt. Und wie das stank! Das kam von dem großen Wagen, auf dem er durch die Landschaft brauste.
Ui, die Bäume und Büsche rasten an ihm vorbei, es wurde ihm schwindelig, und die Augen taten weh, das helle Licht blendete ihn. Sein kleines Herz klopfte laut vor Angst, als wolle es zerspringen. Er war gefangen, hier kam er nicht mehr heraus!
Dann endlich! Nach einer langen Fahrt hielt das Auto an. Kisten wurden von ein paar Männern abgeladen.
Seine Kiste war auch dabei. Horaz versteckte sich, so gut es ging, niemand sollte ihn sehen.

Als es wieder ruhig war, schob er sich durch die Äpfel und schaute vorsichtig in den Raum. Dort standen Fässer und Säcke, es roch ganz angenehm. Seine Kiste befand sich oben auf dem ersten Stapel.
Er kletterte auf den Boden und erkundete flink alle Ecken. Zwischen alten Säcken und Taschen lag ein großer Koffer, daneben eine dicke Hanfrolle - wunderbar, damit konnte er etwas anfangen, nun fehlte ihm nur noch ein geeigneter Platz für ein warmes Nest.
Ein dicker Holzbalken stützte die Decke, an ihm konnte er hochklettern, und durch ein Loch im Balken, neben einer Stromleitung, quetschte er sich auf den Dachboden. Puh, fast wäre er doch noch stecken geblieben. Hier oben, auf dem Dachboden, gefiel es ihm ganz gut, hier fühlte er sich sicher.


Und Nahrung gab es ja in Fülle, den Duft der Äpfel konnte er bis hierher riechen.
An der Wand hing ein Rucksack, Horaz hangelte sich an einem Riemen hoch und schlüpfte hinein. Jetzt musste er sich erst einmal von diesem Abenteuer erholen und schlafen . . . nur noch schlafen und im Nu fielen ihm auch schon die kleinen Augen zu . . .


Als er erwachte, war es noch dunkel. Sein Magen meldete sich - Hunger . . .
Vorsichtig machte er sich auf den Weg zu den Äpfeln. Das Loch im Balken knabberte er noch ein Stückchen großer, er musste gut hindurchklettern können.
Nanu, was war das für ein Geräusch? Horaz hielt inne und horchte, da knabberte doch jemand an seinen Äpfeln? Na warte, den wollte er aber gleich vertreiben.
Je näher er kam, umso intensiver nahm er einen neuen Duft wahr, vertraut und süß . . . er schnupperte mit hochgereckter Nase . .
. flink lief er um die Kiste und dann stand sie auch schon vor ihm, ein wunderschönes Siebenschläferweibchen!
In den Vorderpfoten hielt sie einen Apfel, sie schaute ihn eine Weile an . . .
Hei, war das eine Freude, endlich war er nicht mehr allein.

Sie tobten und sprangen, kletterten und fraßen nun gemeinsam, bis der Morgen graute. Horaz folgte ihr in das weich und warm gepolsterte Nest, das sie gut versteckt unter dem Dach eingerichtet hatte. Hier ließ es sich leben und lieben. Ihre zahlreichen Kinder blieben ein Jahr lang bei ihnen und zogen dann hinaus in die nahe gelegene Mühle und den Obstgarten hinter dem Haus.

Foto unterm Dach: ©B.Winter/pixelio


Der ganz besondere Segen - oder -
Warum die Katze ihren eigenen Weg geht


In den himmlischen Gefilden war heute ein aufgeregtes Treiben, Raunen und Flüstern. Alle Seelen waren anwesend und standen in Gruppen ihrer eigenen Art beieinander. Eine kleine Menschenseele hatte sich von ihrer Gruppe entfernt und spielte fröhlich mit einer Katzenseele, die sich schnurrend an sie schmiegte.
"Warum seid ihr heute so aufgeregt und laut?", beklagte sich die
Katzenseele."Ja, weißt du denn nicht, dass heute ein großerr Tag ist? Gottvater kommt doch gleich mit seiner Engelschar und verteilt uns seinen ganz besonderen Segen!"
Die Katzenseele legte den Kopf nachdenklich auf die Seite, schaute die Menschenseele mit verschleiertem Blick an und schnurrte leise: "Ach ja, das ist aber schön, ich will mich nur schnell putzen. Nimmst du mich dann mit?"
Die kleine Menschenseele willigte arglos ein, denn sie liebte sie sehr und mochte gerne mit ihr zusammen spielen."Du musst dich aber ruhig verhalten, darfst mich nicht verraten."
Von ferne dröhnten nun die Fanfaren und es wurde strahlend hell um sie.
"Komm schnell, es ist so weit!" Sie liefen zu der großen Gruppe der Menschenseelen und mischten sich unter sie.
Die Katzenseele machte sich sehr klein und versteckte sich hinter ihrem Spielkameraden. Nun wurde es ganz still und ein mächtiger, strahlend schöner Engel trat zu den Tierseelen und verteilte an jede Gruppe den Segen Gottes mit allen dazu gehörigen Privilegien.
Zum Schluss blieben noch die Menschenseelen übrig.

Jetzt trat Gottvater in seinem unermesslich strahlenden Lichtmantel vor sie hin und ließ seinen Blick über sie gleiten. Er hob seine Hände und schickte einen warmen, hellen Lichtstrahl über die Menschenseelen.
Alle neigten ihren Blick zu Boden, niemand konnte in dieses Licht schauen. Die Katzenseele hatte nun doch Bedenken, drückte sich noch enger hinter die Menschenseele und atmete nur noch ganz flach.
"Meine lieben Kinder", begann Gottvater, "ich gebe euch jetzt und für immer den Segen des freien Willens. Nutzt ihn weise und zum Segen aller Geschöpfe und teilt ihn in Liebe miteinander zum Wohl und Frieden für alles, was euch untertan ist."
Nach einer Weile entfernte sich das Licht und alle hoben den Kopf: Gottvater hatte sich mit seiner Engelschar bereits zurückgezogen.
Den Segen aber fühlten sie alle wie einen schützenden Mantel, der sie eng umgab.

Die junge Menschenseele wandte sich wieder der Katzenseele zu. "Komm lass uns weiter Fangen spielen."
Die Katze erhob sich aber und ging langsam mit erhobenem Kopf und Schwanz an ihr vorbei.
"Was ist mit dir? Willst du nicht mitkommen?" Die Menschenseele war erstaunt über das veränderte Verhalten ihres Spielkameraden.
"Nein", schnurrte die Katzenseele, "ich will nicht spielen, ich probiere jetzt meinen freien Willen aus, leb wohl!"
Sprach's und stolzierte langsam davon.


   
Geschichtenball von Elke Kremkus

Geschichtenball spielte ich für mein Leben gern. Meine dreieinhalb Jahre ältere Schwester spielte es schon 1953. Dieses Spiel war nur für Mädchen gedacht, jedenfalls beteiligten sich daran niemals Jungs. Vielleicht auch besser so, denn das, was wir Mädels von uns gaben, war für Jungenohren nicht bestimmt, die sich mit Sicherheit über unsere ausgedachten Geschichten lustig gemacht hätten. In den ersten Jahren erzählten wir überwiegend Märchen, dann Familien-, selten aber Gruselgeschichten, die die Jungs als Babykram, und die, die in den späteren Jahren überwiegend von der Liebe handelten, als Kinderkram abwerteten. Diese Schmach wollten wir nicht über uns ergehen lassen und außerdem – was wussten Jungs schon von der Liebe? Alles was wir für dieses Spiel benötigten, waren ein Ball, am besten in der Größe eines Fußballs, aber nicht so hart, eine breite, große Wand und mindestens zwei Spielerinnen.

Der Bunker war wegen seiner riesigen Fläche für uns zweckdienlich. Nein, nicht in erster Linie für das Ballspiel, das eigentlich wenig Platz in Anspruch nahm, vielmehr wegen der Anzahl der Mitspielenden, die, wenn sie nicht schon von Anfang an dabei waren, sich im Laufe des Spiels dazustellten. Nebeneinander, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, standen sie links und rechts von der Geschichtenerzählerin, die ein paar Schritte von der Wand entfernt ihre Position einnahm. Von hier aus warf sie wiederkehrend den Ball an die Mauer, fing ihn auf, und gleichzeitig präsentierte sie uns eine phantasievolle Geschichte. Fiel aber der Ball zu Boden, oder sie berührte mit dem Ball die Erde, weil sie aus irgendwelchen Gründen ausgerutscht war - ein Foul nannten wir das - musste sie ihre Erzählung unterbrechen und wurde von der nächsten Mitspielerin abgelöst. Für die Festlegung der Reihenfolge benutzten wir meistens den kurzen Abzählreim: Brot, Knust, ab.

Je geschickter eine Spielerin mit dem Ball umgehen konnte, umso eher hörten wir das Ende ihrer Geschichte. Fehlte ihr die Fertigkeit mit dem Ball, wurde die Erzählung durch viele Fouls unterbrochen. Die eine oder andere verlor dadurch schon mal den Faden, aber wir waren ja alle gute Zuhörer und halfen ihnen auf die Sprünge - wenn wir sie gut leiden konnten. Leider hatte nicht jede Ballakrobatin auch eine spannende Geschichte zur Hand, wiederholte sich ständig, kam dauernd ins Stocken und fing häufig von vorn an, dann waren wir natürlich schnell gelangweilt und quatschten dazwischen.

Klar, wir waren nicht immer in Hochform, und das Glück beim Ballwerfern spielte ebenso eine Rolle, denn er wurde nicht nur mit beiden Händen an die Wand geworfen und wieder aufgefangen, nee, so einfach war das nicht! Wir boxten ihn abwechselnd mit der linken und rechten Faust, desgleichen mit den Handrücken, mit gefalteten Händen und das im schnellen Wechsel. Wir köpften ihn, manchmal gelang es uns mehrere Male hintereinander, warfen ihn durch ein Bein hindurch und hinter dem Rücken an die Wand. Einige Mädchen kamen nur, um sich die Geschichten mit verträumten Augen anzuhören, sie achteten nicht, wie wiederum andere, auf unsere Ballakrobatik.

Meine Lieblingsnamen in der Geschichte waren: Etwina und Silvana. Silvana mit ihren blonden langen Schlangenlocken bedeutete die Gute, Ehrliche, Unschuldige, fast schon Engelhafte. Und wie sollte es anders sein: Etwina, eine dunkelhaarige Schönheit - stellte die Verzogene, Boshafte und eingebildete dumme Pute dar, die ihrer Stiefschwester Silvana das Leben zur Hölle machte. Und wer war Schuld? Natürlich die böse Stiefmutter! Wer sonst? Entweder unterstütze sie Etwina bei ihren Intrigen oder war sogar die treibende Kraft. Der Vater konnte nichts dafür. Er war leider nicht in der Lage, sich bei seiner Ehefrau durchzusetzen. Auch wenn ich die Geschichte abwandelte, indem ich ihn von den Ereignissen nichts wissen ließ, und Silvana, ganz klar, war eben keine Petze. Hätte sowieso nichts genützt.

Meine Geschichte war ausbaufähig. Sie wuchs buchstäblich mit mir. Je älter ich wurde, umso umfangreicher gestaltete ich sie. Die Liebe kam ins Spiel. Ach, wie oft ließ ich meine Silvana bittere Tränen vergießen, weil die blöde Etwina versuchte, ihr den Freund abspenstig zu machen. Und...? Sie schaffte es! Genau, ich sorgte dafür, dass sie ihn mit wilden, brennend-heißen Küssen verführte. Oje, daraufhin waren meine Mitspielerinnen stinksauer, weil er nicht nur für meine Silvana, sondern auch für sie verloren war. Ohne Frage, auch für mich. Als ich mich aber mit 14 Jahren zum ersten Mal verliebte, mich nach diesen Küssen sehnte, die Liebe keine Erfüllung fand, weil es mein Lehrer war, verlor ich das Interesse am Geschichtenball. Wie war doch noch die Äußerung der Jungs?
„Alles Kinderkram“!

Text und Bild:
Copyright Elke Kremkus ©

   

 

Lukas schnappt den Täter von Martin Ripp für Lukas

An einem schönen Tag in den Sommerferien dieses Jahres stieg ich mit meinem Opa Kuddel am Bahnhof Berne in die U-Bahn. Für Opa ist das immer noch die Hochbahn. Opa hat noch die erste Ringbahn kennen gelernt, die nur oberirdisch fuhr und deshalb auch Hochbahn hieß!
Wir wollten bis zum Jungfernstieg fahren. Opa wollte mit mir eine Alster-Rundfahrt mit dem alten Dampfschiff ‚Sankt Georg' machen.
Opa heißt eigentlich Karl, aber niemand nennt ihn so. Den Namen hat Opa damals im Hamburger Hafen von seinen Kollegen bekommen, wo er bis zur Rente gearbeitet hat. Er ist in Barmbek geboren und da sprachen damals die meisten Menschen Plattdeutsch. Auch Opa spricht gern Platt. Aber mit mir wenig, weil ich nicht so viel verstehen kann. Er will es mir noch beibringen, damit diese Sprache nicht ausstirbt.
Er sagt immer: "Ich bin Barmbeker, und trotzdem ist aus mir was geworden. Helmut Schmidt kommt auch aus Barmbek, und der wurde sogar Bundeskanzler!"
Mit dem ‚was geworden' hat Opa recht!

Er schreibt nämlich echt gute Geschichten und er macht auch noch Leichtathletik, Laufen und so, obwohl er so alt ist, und seine Muskeln sind fast so stark wie die von den Klitschkos! Er tobt mit mir herum wie ein junger Mann und sagt nie, dass er müde ist. Macht sogar Wettrennen mit mir. Ich gewinne immer! Aber ich glaube, er strengt sich gar nicht richtig an, weil er will, dass ich Erster werde! - Ich habe ihn ganz doll lieb - und nicht nur deswegen!!
Meine Oma Bertha habe ich auch sehr lieb. Sie kocht mir immer Nudeln und Pizza, wenn ich möchte, und sie geht mit mir zum Schwimmen. Sie liebt auch Opa, ihren Mann, und nennt ihn ‚Mein großer Märchenerzähler'. Das ist doch viel mehr, als wenn andere zu ihrem Mann ‚Schatzi' oder ‚Bärchen' sagen!! Aber sie meint wohl nicht, dass aus Opa ‚was geworden ist', denn wenn sie gefragt wird, was ihr Mann von Beruf war, sagt sie nicht Hafenarbeiter, sondern Schauermann. Die Leute denken dann wohl, ein Schauermann, der ist beim Wetterdienst, vielleicht ein Profi für Regen- Schnee- und Graupelschauer.

Aber jetzt kommt das richtig Spannende. Ich muss es euch unbedingt erzählen.
In der Hochbahn hing neben der Tür ein Bild von einem Mann und mit viel Schrift, die ich noch nicht lesen konnte. Nur die Überschrift konnte ich buchstabieren und fragte Opa: "Was heißt ‚Be-loh-nung'?"
Opa erklärte mir das und las dann den Text vor:

BELOHNUNG!

‚Gesucht wird dieser Mann (Phantombild) Er ist ein Taschendieb und hat es besonders auf die Portemonnaies älterer Damen abgesehen; verwickelt sie meistens in ein Gespräch um sie abzulenken und schlägt dann zu .Wir hatten in den letzten drei Wochen sieben Anzeigen. Er scheint überwiegend in U- oder S-Bahnen seine Gaunereien auszuüben.
Deswegen bitten wir Sie, liebe Fahrgäste, seien Sie vorsichtig und beobachten Sie Ihre Mitreisenden. Die Bekleidung soll unterschiedlich sein. Manchmal hat er einen Blaumann an, wie Handwerker ihn tragen. Aber er soll auch normale Sommerjacken getragen haben. Ein besonderes Merkmal ist eine quer über die linke Wange verlaufende tiefe Narbe
Die Hamburger Hochbahn AG hat eine Belohnung von 1000 Euro ausgesetzt.
Also Augen auf, liebe Fahrgäste! Vielleicht lohnt sich das!!'


Opa fragte mich, ob ich das verstanden hätte. Ich war ziemlich verwirrt und nickte. Ließ mir dann aber noch erklären, was ein Phantombild ist.
Berliner Tor stieg ein Mann mit einem Blaumann ein und setzte sich zwischen zwei Frauen, eine jüngere und eine ältere. Mit der Älteren fing er sofort ein Gespräch an. Sie hatte einen Korb auf ihrem Schoß. Ich konnte nur eine Gesichtshälfte von dem Mann sehen und sagte zu Opa: "Ich geh mal vorbei. Vielleicht hat er links eine Narbe." Tatsächlich! Eine tiefe, scheußliche Narbe! Ich schauderte, setzte mich schnell wieder neben Opa und hielt seine Hand fest. Ich war bleich wie Milchsuppe! Opa blinzelte mir zu und drückte seinen Zeigefinger auf die Lippen.
Ich konnte sowieso nichts sagen. Lange Zeit geschah nichts, die Stationen flimmerten vorbei. Wenn nicht bald etwas passieren würde, müssten wir über den Jungfernstieg hinaus fahren. Plötzlich fingen die Beiden an, laut zu lachen. Der Mann musste der Frau wohl einen besonders guten Witz erzählt haben. Dabei langte er blitzschnell in den Korb und ließ ihr Portemonnaie in seiner großen Hand verschwinden. Die Frau hatte nichts bemerkt, sie wischte sich noch immer die Lachtränen aus den Augen.
Opa sagte leise: "Wir unternehmen noch nichts. Ich glaube, er wird jetzt, passend für uns, am Jungfernstieg aussteigen."


Ich war so aufgeregt, dass ich nicht antworten konnte. Opa hatte recht: Der Mann stand auf, grinste die Frau zum Abschied scheinheilig an und ging zur Tür. Wir wollten hier ja sowieso aussteigen, konnten also ganz cool bleiben. Wir gingen hinterher, als ob wir ihn nicht sehen würden. Er ging in Richtung Rathausmarkt, und wir blieben ihm auf den Fersen bis zur Mönckebergstraße. Er hatte nichts gemerkt und betrat die Petrikirche. Wir schlenderten wie Touristen hinterher.
Er legte 50 Cent auf einen Teller und zündete ein Licht an. Er stellte es zu den anderen brennenden Kerzen.
Opa lachte. "Das ist ein ganz schlimmer! Der denkt, der liebe Gott verzeiht ihm, weil er 50 Cent gespendet hat und dann noch von geklautem Geld!"
Der Mann ging schnell zum Ausgang. Wir wieder hinter ihm her, über die Straße und zu Karstadt rein. Er guckte sich im Erdgeschoss verschiedene Dinge an, blieb aber auf dem Hauptgang, wo die Menschen nur so vorbeiströmten. Er spazierte einige Male hin und her, um sich sein Opfer herauszupicken. Jetzt hatte er es wohl gefunden! Sein Gang wurde ein Schleichen, wie bei einem Panther.
Wir merkten sofort, was er vorhatte. Vor ihm ging ein junger Mann, mit einem Hemd und einer schwarzen Jeanshose. Aus der Gesäßtasche guckte eine Brieftasche. Rasch ging er an ihm vorbei. Und dann sahen wir, wie er mit einem plötzlichen Griff die Brieftasche in der Hand hatte, ohne dass der junge Mann es merkte. Dann begann er zu flitzen wie ein Kaufhausdieb. Aber die Alarmanlage blieb stumm, kein Detektiv kam angelaufen. Die Brieftasche stammte ja nicht von Karstadt!


Draußen ging er gleich auf die andere Straßenseite und die Treppe zur U-Bahnstation Mönckebergstraße runter. Wir blieben ihm auf der Spur. Welch ein Glück oder auch Zufall! Auf dem Bahnsteig standen drei Männer von der U-Bahnwache. Opa ging sofort zu ihnen und erklärte alles. Zwei Mann nahmen den Dieb sofort in ihre Mitte. Er versuchte noch, sich loszureißen und pöbelte, hatte aber gegen diese kräftigen Männer keine Chance.
Der dritte Mann blieb bei uns stehen und ließ sich von Opa alles genau schildern. "Dann steht Ihnen ja die Belohnung zu!" sagte er zu Opa. "Ne!" protestierte Opa. "Mien Enkelkind hett de Narv an de linke Siet vun sien asig Freet opdeckt. He mutt de Belohnung hebben!"


Der Wachmann lachte mich freundlich an und sagte: "Wie heißt du denn, mein Junge? Ich notiere das gleich, das wird dann amtlich. Wir müssen den Mann allerdings der Polizei übergeben. Zu Verhaftungen sind wir nicht befugt."
"Lukas", antwortete ich.
"Bukas? Was ist das denn für ein seltsamer Name?!"
"Nein, da haben Sie sich verhört! Ich heiße Lukas mit ‚L'!"
"Jetzt habe ich verstanden! Wie Lukas, der Lokomotivführer. Und wo wohnst du?"
"Fünfstück Nummer 12."
"Wie bitte? Rundstück Nummer 12?" Er griente, und ich wusste gleich, dass er nichts mit den Ohren hatte! Er hob seine rechte Hand und spreizte die Finger. "Das sind ‚Fünfstück'!"
Opa und ich mussten auch lachen.
"Du bist doch bestimmt schon sieben!"
"Nein, ich bin erst sechs Jahre alt!"
Der Mann lächelte und erwiderte: "Jung! Du bist sechs Jahre jung! Alt ist dein Opa, ungefähr siebzig!" Danach wurde er ernst und sagte: "Wenn das stimmt, was Sie zu Protokoll gegeben haben, bekommt Ihr Enkel das Geld."
Er gab uns die Hand und stieg in einen gerade angekommenen Zug.
Opa sah auf die Uhr und sagte: "Wir gehen jetzt noch ein bisschen spazieren. Die erste Fahrt mit der ‚Sankt Georg' haben wir verpasst. Die zweite beginnt erst in einer Stunde."
Ich war schon wieder oder immer noch aufgeregt und sagte: "1000 Euro soll ich bekommen? Soviel Geld habe ich noch nie gesehen! Dann kaufe ich dafür die 'Sankt Georg'! Oder meinst du, dass sie teurer ist?"
"Nein!" antwortete Opa. "Nur im richtigen Leben! Im Märchen kannst du die ganze Welt für tausend Euro kaufen!

   

Die Fünfer-Bande von Martin Ripp

In den letzten Wochen war mehrmals in Schreberlauben eingebrochen worden. Ausgerechnet in der Kolonie, an die ihr Bolzplatz grenzte.
Sie saßen nach dem Fußballspiel mit roten Wangen und verschwitzt am Grasrand und machten eine Pause. Der neunjährige Johannes sagte zu seinem gleichaltrigen Freund Moritz: "Wollen wir mal durch die Schrebergärten gehen und uns auf die Lauer legen? Vielleicht können wir den Einbrecher erwischen."

Moritz überlegte: "Igitt!", schrie er, und schüttelte sich. Seine sechsjährige Schwester Lilli hatte heimlich ihre Wasserpistole im nahen Tümpel geladen, war hinter ihn geschlichen und hatte ihm eine volle Ladung in den Nacken gespritzt.

Johannes lachte schadenfroh. Sein achtjähriger Bruder Lukas und die vierjährige Schwester Annika liefen Lilli zum kleinen Teich hinterher. "Ja, wir machen eine Wasserschlacht!" rief Lukas. Und Annika: "Ja, ja, einen Wasserschlag, einen Wasserschlag!"

"Nein!" antwortete Moritz, der jetzt lächeln konnte. "Wir laden unsere Pistolen und schleichen durch die Schrebergärten!" Er und Johannes sprangen auf und füllten ebenfalls ihre Waffen.
Sie sind Nachbarskinder. Dann und wann sind sie auch mal zerstritten und gehen sich einen Tag lang aus dem Weg. Doch vor einigen Wochen hatten Moritz und Johannes die Idee gehabt, mit Lukas und anderen eine Bande zu gründen. Seitdem hielten sie zusammen und wollten durch dick und dünn gehen, das hatten sie geschworen. Da es in der näheren Umgebung an Jungen mangelte, durften auch Annika und Lilli Mitglieder werden. Wo doch Annika sowieso immer behauptet: "Ich bin ein Junge!"

Der Name war schnell gefunden. Sie waren fünf und wollten eigentlich keinen mehr aufnehmen. So nannten sie sich einfach : ‚Fünfer-Bande'.
An diesem Nachmittag, mit leichtem Nieselregen, war nicht viel los in der Kolonie. In einigen Gärten sahen sie Männer im Rentenalter, die verwelkte Blumen köpften oder nachgewachsene Zweige ihrer Hecke kappten. Über einen mussten Johannes und Moritz sogar lachen: Der trocknete seinen Gartenzwerg liebevoll mit einem Geschirrtuch ab. Die jüngeren Pächter mit Kindern kamen erst am frühen Abend oder am Wochenende.

Jetzt schlenderten sie durch den hinteren Teil der Anlage, der in der Nähe des Bahngleises lag. Eine Hochbahn donnerte vorbei und trotzdem meinten Johannes und Moritz ein Klirren gehört zu haben. Sie blieben stehen. War da eine Scheibe eingeschlagen worden? Die anderen waren vorweg gelaufen, hatten ‚Kriegen' gespielt und kamen atemlos wieder zu ihnen zurück. Lukas hatte einen dicken Knüppel in der Hand, mit dem er am Wegrand stehende Brennnesseln abgeschlagen hatte. Moritz legte den Zeigefinger an die Lippen, und flüsterte: "Seid mal still!"

Sie duckten sich hinter eine Hecke und lauschten. Auf einmal hörten sie Geräusche. Johannes spähte durch eine Lücke und beobachtete, wie jemand aus dem Fenster einer Laube sprang. Er hatte etwas unter den Arm geklemmt und stellte es dann auf den Boden. Johannes bemerkte, dass die untere Hälfte der Fensterscheibe fehlte. Spitze Zacken ragten bedrohlich herunter. Trotzdem wagte es dieser Jemand ein zweites Mal, durch das Loch in der Scheibe hindurch zu kriechen. Die anderen waren neugierig und wollten sich aufrichten. Moritz drückte ihre Köpfe wieder nach unten und flüsterte: "Wartet! Wir geben euch ein Zeichen!"
Er lugte durch die zur Seite geschobenen Zweige.

Sie brauchten nicht lange zu warten. Der Dieb erschien wieder am Fenster, trug einen Fernseher vor der Brust und sprang hinunter. "Los!", rief Johannes. Kreischend rannten sie zur Schreberhütte und überraschten einen Mann von vielleicht zwanzig Jahren.
"Was wollt ihr Rasselbande denn hier?" grölte er. "Haut sofort ab, sonst setzt es Schläge!"
Die Kinder hatten sich vor ihm aufgebaut, ihn umzingelt. Johannes gelang es, hinter seinen Rücken zu kommen. Mit einem gerade vor einer Woche gelernten Judogriff packte er einen Arm des Einbrechers und drückte ihn nach oben. Der Mann schrie auf und rief: "Lass mich los, du kleine Ratte!"


"Feuer!", kommandierte Moritz, und im selben Augenblick wurde der Dieb von Wasserstrahlen aus vier Pistolen getroffen. Lilli hatte besonders gut gezielt und das linke Auge erwischt, Lukas die Haare klitschnass gemacht. Er sah jetzt nicht mehr gefährlich aus, sondern lächerlich wie ein begossener Pudel. Mit der freien Hand wischte er sich das Wasser ab und wütete: "Na wartet! Euch werde ich Beine machen!"

Er versuchte den Arm frei zu bekommen, trat nach hinten aus und traf Johannes am Schienbein. Der Schmerz zwang den Jungen, ihn los zu lassen, worauf der Mann sich auf Johannes stürzte und ihn auf den Rasen niederdrückte.
Lukas kam sofort zu Hilfe und wollte mit dem Stock zuschlagen. Doch der Einbrecher nahm ihm den Knüppel weg und schleuderte ihn in den Garten. Zufall oder Glück? In dem Moment kam ein Radfahrer vorbei und Moritz rief laut: " Bitteee, können Sie uns helfen?"

Der kräftige junge Mann stieg sofort ab, sah Johannes am Boden liegen und brüllte: "Lassen Sie sofort das Kind in Ruh!" Danach bemerkte er die Scherben, das vor dem Fenster stehende Fernsehgerät und einen Ventilator.
"Ach Schurke, haben wir dich endlich erwischt!"
Er ging auf den Einbrecher zu, der inzwischen von Johannes abgelassen und sich wieder aufgerichtet hatte.

"Was geht dich das an, du Penner?!" pöbelte der Gangster. Gleichzeitig legte er seine Hände um den Hals des Radfahrers und würgte ihn. Sie konnten es gar nicht so schnell verfolgen, wie der reagierte. Ein Aufwärtshaken traf das Kinn des Würgers und fällte ihn. Lautlos sackte er zu Boden und verdrehte die Augen. Erstaunt und bewundernd blickten die Kinder auf ihren Retter, der jetzt auf seinem Handy 110 eintippte. "Nun geht mal nach Hause, Kinder!" sagte er. "Das andere erledige ich. Ihr wart sehr mutig. Aber macht das nie wieder, ohne Erwachsene zu verständigen. Das ist viel zu gefährlich! - Und nun sagt mir mal eure Namen."

Johannes und Moritz antworteten stolz, wie aus einem Munde: "Wir sind die Fünfer-Bande!" Bevor sie gingen, warfen sie noch einen Blick auf den am Boden Liegenden, der wieder zu sich gekommen war, aber keine Chance hatte aufzustehen, bei dem harten Griff seines Gegners.

Johannes fragte noch: "Was war das für ein doller Schlag? Den hab ich beim Judo noch nicht gelernt."
Der Mann lachte. "Den wirst du dort auch nicht lernen. Ihr habt Glück gehabt; ich bin im Boxverein. Und diesen Kinnhaken nennt man ‚Uppercut'."

"Geil!" entfuhr es Moritz. "Den müssen wir unbedingt in unserer Bande aufnehmen!"
"Ja", bestätigte Lukas, "den müssen wir haben!"

Lilli hatte ein neues Wort von ihrem Bruder aufgeschnappt und machte daraus: "Ein geiler Schlag!"
Annika konnte das alles nicht so richtig einordnen, war aufgeregt, fuchtelte noch immer mit ihrer Wasserpistole herum und plapperte vor sich hin: "Das war ein ‚Papacut!, ein guter ‚Papacut!..."

Am nächsten Mittwoch konnten sie im Wochenblatt die Schlagzeile lesen:

"Die ‚Fünfer-Bande' überlistet Einbrecher mit Wasserpistolen."



Annika, Opa und der Froschprinz

von Martin Ripp für Annika


Gestern war meine Enkelin Annika bei uns.
Interessant ist für sie unser Gartenteich. Sie hat dreizehn grüne Frösche gezählt, die im Wasser schwammen,auf den Blättern der Seerosen saßen oder sich am Rand auf einem Stein oder im Gras sonnten.
Wir können uns noch so leise anschleichen, sie haben ein sehr gutes Gehör und springen sofort ins Wasser. Wenn wir aber einige Minuten ruhig am Rand stehen bleiben, kommen sie so nach und nach zurück und nehmen ihre Plätze wieder ein.
Ich hatte Annika schon mehrmals das Märchen vom Froschkönig vorgelesen.
Das Weihnachtsmärchen hatte sie gemeinsam mit Oma und ihren acht und zehn Jahre alten Brüdern auch gesehen.
Ich fragte, wer von ihnen der Froschkönig sei. Sie zeigte auf einen, der reglos, alle Viere
von sich gestreckt, im Wasser lag. Sie gab mir den Kescher und sagte: "Opa, fang ihn bitte!" Ich hatte Glück. Als er den Schatten vom Stiel bemerkte, wollte er gerade abtauchen. Ich war aber mit dem Fangnetz unter ihm, so dass er geradeswegs eintauchte. Er zappelte und versuchte immer wieder hochzuspringen, bis Annika ihn endlich behutsam in ihre Faust nehmen konnte.
Danach saß er still auf ihrer Hand und genoss die Sonne. Sie beugte ihren Kopf hinunter. Er sprang aber sofort ins kühle Nass. "Opa, das ist nicht der Froschkönig!" sagte sie bestimmt. "Der wollte sich nicht küssen lassen!"
"Nein", antwortete ich. "Der ist noch viel zu klein! Aber der da, der könnte es sein!" Ich zeigte auf einen großen dunkelgrünen Frosch mit gelben Punkten, der gerade auf ein Seerosenblatt kletterte. "Ja Opa, der muss es sein!"
Ich hielt den Kescher vorsichtig ans Ende des Blattes. Er hatte es aber gemerkt, denn er bewegte sich. Aber anstatt ins Wasser zu springen, hüpfte er freiwillig ins Netz. Ich holte ihn hoch. Er verhielt sich ganz anders. Er zappelte nicht und versuchte auch nicht heraus zu springen. Er saß ganz still und seine kleinen Augen blickten erwartungsvoll nach oben. Annika holte ihn heraus, und er blieb regungslos auf ihrer Hand sitzen.
"Na, bist du der verwunschene Prinz?" fragte ich und musste lachen. Im selben Moment hatte Annika ihm schnell und doch zaghaft einen Kuss aufgedrückt. Er quakte eigenartig und sprang in den Teich. Sie wischte sich noch nicht mal den Mund ab und statt ‚der ist kalt und eklig' sagte sie: "Hast du gehört Opa, der hat ‚danke!' gesagt.
"Ja, das meine ich auch gehört zu haben. Aber er ist ja kein Prinz geworden, sondern als Frosch zu den anderen zurück gesprungen."
"Das geht nicht sofort, Opa! Silke vom Waldkindergarten hat uns erzählt, dass es um Mitternacht und nur bei Mondschein passiert."
"Na ja, du gehörst ja zu den Waldkindern.
Ihr beobachtet ja die Natur und wisst es besser als ich."
"Opa, du darfst ja länger aufbleiben. Kannst du heute Nacht an den Teich gehen?"
"Ja, das kann ich machen."
Sie war aber nicht davon überzeugt. "Opa, du musst da aber wirklich hingehen!"
"Ja, mache ich!"
"Versprochen?!"
"Ja, versprochen!"
Was man verspricht, muss man halten! Ich ging um Mitternacht in den Garten.
Es war nicht nur mondhell, der Garten strahlte wie bei Sonnenschein, beleuchtet von einem gelb-rötlichen Vollmond, aus dem der deutlich erkennbare Mann im Mond mich auszulachen schien.
Kurz bevor ich den Teich erreichte, stieg da etwas Schemenhaftes heraus. Ich ging näher heran. Ein eigenartiges Wesen, halb Frosch, halb Mensch, stand auf einem großen Seerosenblatt. Es hatte eine glitzernde Jacke an und auf dem Kopf glänzte eine goldene Krone. Nur am Unterkörper waren noch Froschschenkel zu erkennen.
Ich traute meinen Augen nicht! "Das hättest du wohl nicht gedacht, Opa, dass deine Enkeltochter Annika mich befreit?!"
Ich holte tief Luft. Ich konnte es nicht fassen! War ich vielleicht trotz des Versprechens früher ins Bett gegangen und hatte nur geträumt? Ja, es musste so sein, denn ich antwortete: "Wo willst du denn hin, du Karnevalsprinz mit deinem menschlichen Oberkörper und deinem Froschunterleib?" Ich lachte schallend, dass es durch den ganzen Garten hallte.
"Ich fliege gleich davon ins Frosch-Prinzenland und in zwölf Jahren, wenn Annika achtzehn Jahre alt wird, komme ich zurück und werde sie heiraten!"
"Ha, ha, ha!" lachte ich wieder. "Du willst fliegen mit deinen Froschschenkeln?" Ich hatte das kaum ausgesprochen, da hörte ich ein knackendes Geräusch, seine Hinterbeine fielen ab und aus dem Körper spreizten sich Flügel. Langsam flog er in die Höhe und rief: "Auf Wiedersehen und grüße Annika. Sag ihr, sie soll auf mich warten. Am 20. Oktober 2026 komme ich wieder. Sie wird dann meine Frau und die Königin von Oldenfelde.
Ich beobachtete ihn noch eine ganze Weile, wie er dem Licht entgegenflog und kleiner und kleiner wurde. Dann schob sich eine Wolke vor den Mond und ich stand allein im dunklen Garten.


Martin Ripp

 

     
     
     
     
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